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Auftakt der Frauen-Bundesliga: Ein Rekordspiel, in dem das Luxusproblem deutlich wird

Auftakt der Frauen-Bundesliga: Ein Rekordspiel, in dem das Luxusproblem deutlich wird

Die wohl beste Idee des Abends hatte Trainer José Barcala nach der Pause. Als die Fußballerinnen des FC Bayern bei ihrem Auftakt in die neue Bundesligasaison gegen Bayer Leverkusen auf den Platz zurückkehrten, setzte sich Klara Bühl nicht wie zuvor auf die Bank, sondern joggte als Einwechselspielerin auf den Rasen. Sofort brachte sie über ihren linken Flügel die zuvor vermisste Dynamik ins bisweilen zähe Spiel der Münchnerinnen, gleich zwei entscheidende Szenen sollten folgen.

Erst eine Vorlage. Bühl zirkelte den Ball bei einer Ecke auf den hinteren Pfosten zu Abwehrspielerin Vanessa Gilles, die mit einem energischen Kopfnicken in der 76. Minute die Führung erzielte. Dann ein eigener Treffer bereits in der nächsten Minute, während sich alle noch über das 1:0 freuten und die Torhymne lief. Jovana Damnjanovic passte den Ball in einem Bogen von der einen Seite des Fünfmeterraums zur anderen, Bühl nahm ihn volley und entschied in der 77. Minute mit dem 2:0 die Partie. Damit rettete sie dem FC Bayern diesen Abend, der zur vollen Entfaltung ziemlich unverhandelbar nach einem Erfolg der Gastgeberinnen verlangt hatte.

Nationalspielerin Klara Bühl spricht zum Bundesligastart über ihre Erwartungen an die neue Saison. Sie erklärt, welche Schlüsse das DFB-Team aus der Fußball-EM ziehen sollte – und erzählt, warum sie beim FC Bayern geblieben ist.

Interview von Anna Dreher

Als Bianca Rech, die Direktorin der Bayern-Frauen, aus dem Innern des Stadions lief, war ihr anzumerken, wie erleichtert sie war. Am Samstag ging es ja nicht allein um ein gutes Gefühl zum Start und um den Einstand von Barcala, der den Job von Alexander Straus als erfolgreichstem Trainer der Bayern-Frauen übernommen hat. Das Ganze fand auf einer viel größeren Bühne statt als sonst üblich bei den Heimspielen im Stadion des Campus-Geländes: in der Allianz-Arena. Dort hatten die Münchnerinnen zuvor viermal gespielt, mit der Premiere am 22. März 2022 im Champions-League-Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain. Aber diesmal sollte es richtig voll werden – und das wurde es. Mit 57 762 Zuschauern hat der Klub am Samstag einen Rekord im deutschen Vereinsfußball der Frauen aufgestellt. Auch Präsident Herbert Hainer, der Vorstandschef Jan-Christian Dreesen und Uli Hoeneß waren unter den Zuschauern.

„Das ist ein unglaubliches Gefühl, weil wir wirklich sehr lange darauf hingearbeitet haben, das zu schaffen“, sagte Rech und lächelte zufrieden. Die bisherige Bestmarke hatten mit 57 000 Zuschauern der HSV und Werder Bremen vergangenen März beim Pokal-Halbfinale im Hamburger Volksparkstadion gesetzt. In der Bundesliga hatte der 1. FC Köln im April 2023 zu seiner Partie gegen Eintracht Frankfurt 38 365 Zuschauer ins Müngersdorfer Stadion gelockt. Und nun also die frische Zahl, mit der die Münchnerinnen ihren Rekord von 24 000 Zuschauern beim Champions-League-Heimspiel gegen Barcelona vor drei Jahren mehr als verdoppeln.

Es entspricht dem Selbstverständnis des Doublesiegers, dass der FC Bayern auch hier an der Spitze steht. Dass das gar nicht so selbstverständlich ist, betonte Rech allerdings auch: „Wir haben auf dieses Spiel, das darf man nicht vergessen, sechs Monate hingearbeitet“, erzählte sie. „In der Champions League bleiben uns vier Wochen, das ist ein Riesenunterschied.“ Mindestens 25 000 Tickets müssen laut Rech verkauft werden, damit der FC Bayern nichts drauflegen muss, wenn die Fußballerinnen hier auftreten. Aber natürlich kämen sie gerne bald zurück. „Für viele von uns ist auch ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen“, sagte Bühl. „Die ganze Woche haben wir darüber geredet, dass wir uns so was wünschen. Dass es wahr geworden ist, ist etwas ganz Besonderes.“

57 762 Zuschauer besuchten offiziell die Arena im Münchner Norden – gerade 762 mehr als beim Pokal-Halbfinale in Hamburg, um den Rekord zu knacken.
57 762 Zuschauer besuchten offiziell die Arena im Münchner Norden – gerade 762 mehr als beim Pokal-Halbfinale in Hamburg, um den Rekord zu knacken. (Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/Imago)

Dass die eine oder andere etwas überwältigt war von dem Drumherum, zeigte sich in der ersten Hälfte der Eröffnungspartie. Barcala hatte seine Startelf im Vergleich zum 4:2-Sieg im Supercup gegen den VfL Wolfsburg eine Woche zuvor nur auf einer Position verändert. In der Innenverteidigung erhielt Vanessa Gilles den Vorzug vor Stine Ballisager. Aber sein Team tat sich schwer, hatte nur eine Chance von Lea Schüller in der zweiten Minute. Was auch daran lag, dass die Gäste kompakt verteidigten, sich gut bewegten, hoch anliefen und dabei, wie Bühl formulierte, „sehr giftig waren und uns immer irgendwie auf den Füßen standen“. Vor allem Bayers Abwehrspielerin Carlotta Wamser stellte sich mit ihrer Physis quasi immer und überall resolut in den Weg.

Aber all das kostete Kraft. In den Köpfen der Leverkusenerinnen steckte zudem, dass ihnen in der ersten Halbzeit ein Elfmeter nach Trikotziehen versagt worden war und dass alle in der 66. Minute schon euphorisch über die vermeintliche Führung gejubelt hatten, die dann wegen Handspiels doch nicht zählte. Und so eindrücklich der Vorjahresvierte auch kämpfte, so deutlich setzte dann doch wieder der FC Bayern ein Zeichen, auf das es in dieser Saison noch öfter ankommen dürfte: Nach Bühl wechselte Barcala wie im Supercup unter anderem Pernille Harder und Lena Oberdorf ein. Gegen diese frische individuellen Qualität vermochte es Leverkusen nicht, den Druck aufrechtzuerhalten.

José Barcala ist der neue Trainer der Münchnerinnen, er tritt ein schwieriges Erbe an – so erfolgreich wie sein Vorgänger Alexander Straus war zuvor keiner.
José Barcala ist der neue Trainer der Münchnerinnen, er tritt ein schwieriges Erbe an – so erfolgreich wie sein Vorgänger Alexander Straus war zuvor keiner. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

In diesem Kader steckt nun auch das Luxusproblem dieser Saison. Denn noch kann Barcala damit argumentieren, dass sowohl Harder als auch Oberdorf nach ihren Verletzungen und Bühl nach intensiven Monaten geschont werden sollen. Noch stehen Giulia Gwinn und Kapitänin Glódís Viggósdóttir angeschlagen nicht zur Verfügung. Doch allein, wie oft die Nationalspielerin Bühl nach dem Arena-Auftakt danach gefragt wurde, wie sie mit der Rolle als Einwechslungsspielerin umgehe, zeigte das Konfliktpotenzial, das in dem Thema steckt. Bühl reagierte gelassen: „Natürlich ist man enttäuscht, keine Frage. Aber wenn ich auf den Platz schaue, wenn ich neben mir auf die Bank schaue, dann ist das einfach ein Privileg, in dieser Mannschaft zu spielen.“

Barcala muss den Anspruch erfüllen, in dieser Saison die Titel in der Liga sowie im Pokal zu verteidigen – und in der Champions League möglichst mindestens das Halbfinale zu erreichen. Und eben nebenbei sicherzustellen, dass in diesem Kader voller Spitzenfußballerinnen die Stimmung nicht kippt. Möglicherweise aufkommende Enttäuschung, „darf nicht auf die Mannschaft komplett überschwappen über einen längeren Zeitraum“, warnte Bianca Rech. „Es wird jede irgendwann treffen, nicht von Anfang an zu spielen. Und es ist wichtig, dass wir das in die Köpfe reinkriegen, weil am Ende wird dieser Kader entscheidend sein, ob wir erfolgreich sein werden.“

Was José Barcala im Umgang mit den Erwartungen helfen dürfte, ist nicht nur die von diversen Spielerinnen bereits gelobte offene Kommunikation des Spaniers. Sondern auch das Programm. Von Oktober bis kurz vor Weihnachten bestreitet sein Team viele englische Wochen. Es muss rotiert werden. Bis dahin bleibt noch Zeit, die Spielidee zu implementieren, auch wenn es bis zur nächsten Rekordkulisse erst mal dauern wird.

süeddeutsche

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