Chemsex: Der Zusammenhang zwischen Drogen und Sex alarmiert Experten

Sex unter Drogeneinfluss ist nichts Neues, erregt aber zunehmend die Aufmerksamkeit von Experten und Gesundheitsbehörden. Diese Angewohnheit hat sogar einen Namen: Chemsex , eine Abkürzung des englischen Ausdrucks „Chemical Sex “, der den Geschlechtsverkehr im Zusammenhang mit dem Konsum psychoaktiver Substanzen bezeichnet.
Im Allgemeinen ist diese Praxis mit dem Konsum von Alkohol, Cannabis, Ketamin („Key“), Ecstasy („Bullet“), LSD („Sweet“), Methamphetamin („Crystal“ oder „Tin“), GHB („Good Night Cinderella“) oder Alkylnitrit ( Poppers ) verbunden. Diese Drogen wirken direkt auf das Gehirn und verstärken Gefühle von Glück, Entspannung und Enthemmung.
Der Konsum dieser Substanzen erleichtert die Partnersuche in einer zunehmend vernetzten Welt. „Drogenkonsum in sexualisierten Kontexten ist nichts Neues. Doch die Kombination mit neuen Technologien, Substanzen und sogar Krankheiten unterscheidet Chemsex von diesem historisch bekannten Verhalten“, erklärt die Psychologin Marina Del Rei, die sich auf die Betreuung von Alkohol- und anderen Drogenkonsumenten spezialisiert hat und das Phänomen im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Universität von São Paulo (USP) untersucht.
Obwohl noch Forschung nötig ist, um dieses Verhalten besser zu verstehen, helfen neuere Studien, Licht ins Dunkel zu bringen. Eine im April in der Fachzeitschrift Healthcare veröffentlichte Metaanalyse weist auf eine weltweite Prävalenz von Chemsex von 12,66 % hin, wobei verschiedene Länder, Geschlechter und sexuelle Orientierungen berücksichtigt werden. Eine im März 2024 in der Fachzeitschrift Public Health Nursing veröffentlichte brasilianische Studie zeigt, dass 19,42 % der gleichgeschlechtlichen Männer (unter anderem schwul, bisexuell, pansexuell) in dem Land Chemsex erlebt haben.
Bereits 2007 erkannte das Gesundheitsministerium diese Praxis in einem Dokument mit dem Titel „Nationaler Plan zur Bekämpfung der AIDS- und STD-Epidemie unter schwulen Männern, MSM und Transvestiten“ an. „Alkohol ist in diesen Kontexten möglicherweise die am häufigsten konsumierte Droge, aber auch der Konsum von Freizeitdrogen (Ecstasy, Crystal Drugs, Speed, Ice, Poppers, Viagra) und Crack-Kokain wurde in einigen dieser Zusammenhänge berichtet. In diesen Kontexten könnte die durch Drogenkonsum verursachte Enthemmung mit sexuellen Praktiken ohne Kondom zusammenhängen“, heißt es in dem Text.
Das wissenschaftliche Interesse an dem Thema ist jedoch insbesondere seit 2019 gestiegen, angetrieben durch die zunehmende Nutzung von Dating-Apps und die Auswirkungen der sozialen Isolation während der COVID-19-Pandemie. Und auch durch die damit verbundenen Risiken. „Die Praxis kann die Entwicklung schwerer psychischer Erkrankungen begünstigen, die Anfälligkeit für sexuell übertragbare Infektionen erhöhen und, ohne Kenntnis von Strategien zur Schadensminderung, zu Substanzmissbrauch führen“, bemerkt Marina Del Rei.
Motivationen und RisikenVerschiedene Faktoren können zu dieser Praxis führen. Angefangen bei den Wirkungen der Drogen selbst: Cannabis beispielsweise kann ein Gefühl der Zeitdilatation hervorrufen, wodurch das sexuelle Erlebnis länger und intensiver erscheint; während das Inhalieren von Poppers die Erregung steigert und die Muskeln entspannt, was die vaginale und anale Penetration erleichtert.
Es gibt auch soziale Aspekte. „Viele LGBT+-Personen erleben schon in jungen Jahren Diskriminierung, Minderwertigkeitsgefühle und soziale Ausgrenzung. Im Erwachsenenalter versuchen manche, ihr Trauma zu überwinden, indem sie ein intensives und ‚perfektes‘ Leben anstreben: den besten Körper, die beste Gesellschaft und den besten Sex. Dabei kommen viele mit diesen Substanzen in Berührung“, beobachtet der Psychiater Saulo Vito Ciasca vom Einstein Hospital Israelita.
Dieser Zusammenhang ist jedoch immer subjektiv: Die Motivationen sind von Person zu Person unterschiedlich. Manche Menschen konsumieren diese Produkte, um Hemmungen abzubauen und ihre Fähigkeit zur Geselligkeit zu verbessern; andere wiederum aus Neugier oder dem Wunsch, andere Empfindungen zu erleben.
Nebenwirkungen lassen jedoch nicht lange auf sich warten. Nach einer Chemsex- Session können Konsumenten eine Art „chemischen Kater“ mit intensiven Symptomen erleben. Methamphetamin beispielsweise kann Angstzustände, Depressionen, Schlaflosigkeit, Paranoia und sogar Psychosen auslösen.
Darüber hinaus kann fortgesetzter Drogenkonsum zu schweren körperlichen Schäden führen, beispielsweise zu einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle, Herzrhythmusstörungen, Leberschäden und Verbrennungen. Auch plötzliche Stimmungsschwankungen sind häufig.
Ein weiterer besorgniserregender Faktor ist die Herkunft der Substanzen. Da viele der beim Chemsex verwendeten Drogen illegal sind, gibt es keine Qualitätskontrolle. Verunreinigungen in den Produkten erhöhen das Risiko einer Überdosis und unvorhersehbarer Nebenwirkungen.
Auch die Anfälligkeit für riskantes Verhalten, wie ungeschützten Sex, steigt. Der Mangel an kombinierten Präventionsstrategien – wie PrEP, DoxiPEP, regelmäßige Tests und Kondome – erhöht die Anfälligkeit für Viren wie HIV, Herpes und MPOX sowie andere sexuell übertragbare Infektionen (STIs).
Wenn der Konsum von sporadischem zu Abhängigkeit wird, verstärken sich die Auswirkungen. Entzugserscheinungen – wie Schwitzen, Unruhe, Schlaflosigkeit, Übelkeit und Kopfschmerzen – können sich zu einem sogenannten hedonistischen Homöostase-Dysregulationssyndrom entwickeln. Dieser Zustand ist durch ein Ungleichgewicht im Belohnungssystem des Gehirns gekennzeichnet, das die Droge als einzig mögliche Quelle der Freude erkennt – wodurch alltägliche Aktivitäten keine Befriedigung mehr hervorrufen können.
Zudem besteht die Möglichkeit, dass die Dosis, die für die gleiche Euphorie benötigt wird, allmählich ansteigt. „Die Schwelle zwischen der beabsichtigten entspannenden Wirkung und der Schwelle, ab der die Substanz toxisch wirkt und das Risiko einer Überdosis und anderer gesundheitlicher Probleme birgt, liegt je nach Substanz, zum Beispiel bei GHB, sehr nahe“, betont der Einstein-Psychiater. „Deshalb ist es so wichtig, über Schadensminimierung zu sprechen; der Unterschied zwischen Medizin und Gift liegt in der Dosis.“
Ein sicherer WegSchadensminimierung ist eine Strategie, die davon ausgeht, dass Abstinenz nicht immer möglich (oder realistisch) ist, die Risiken jedoch minimiert werden können. Dazu gehört der Zugang zu verlässlichen Informationen über die Wirkung von Substanzen, sichere Dosierungen, gefährliche Kombinationen (wie Alkohol und Ketamin) und vor allem darüber, was zu tun ist, wenn die Situation außer Kontrolle gerät.
Die Hilfe qualifizierter Fachkräfte ist unerlässlich – sowohl für eine sichere Beratung als auch zur Bewältigung möglicher Folgen des Konsums. Angebote wie Test- und Beratungszentren (CTAs) und Zentren für psychosoziale Betreuung (CAPS) bieten hierfür einen Einstieg. „Die eigenen Grenzen zu kennen und die eigenen Erfahrungen mit Substanzen zu reflektieren, insbesondere mit professioneller Unterstützung, hilft dabei, diese Produkte bewusster und informierter zu nutzen“, rät Marina Del Rei. „Das kann helfen, eine problematische Beziehung zu Drogen zu vermeiden.“
Quelle: Einstein Agency
Der Beitrag „Chemsex: Zusammenhang zwischen Drogen und Sex alarmiert Experten“ erschien zuerst auf Agência Einstein .
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