Finanzbehörden übertragen E-Mails weiterhin an den amerikanischen Cloud-Dienst Microsoft

E-Mail, Videoanrufe, Dateifreigabe: Die Steuer- und Zollverwaltung wird bald alles über Microsoft 365 abwickeln. Staatssekretär Heijnen (BBB) gab dies heute Morgen in einem Brief an das Parlament bekannt.
Der Dienst arbeitete schon seit einiger Zeit an einem Wechsel zu Microsoft, wurde jedoch unterbrochen, nachdem eine Diskussion über die Nutzung US-amerikanischer Cloud-Dienste durch Regierungsorganisationen aufkam.
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Im März veröffentlichte das Repräsentantenhaus einen Antrag, in dem ein Stopp der IKT-Migration der Regierung zu Cloud-Diensten amerikanischer Technologiegiganten gefordert wurde.
Nun habe sich der Staatssekretär „nach sorgfältiger Risikoanalyse und einem umfangreichen Entscheidungsprozess dazu entschlossen, die Umstellung auf M365 vorzunehmen“, heißt es in dem Schreiben. Dies gelte unter anderem für E-Mails und Online-Meetings, nicht aber etwa für Steuererklärungen.
Abhängig von den AmerikanernBeunruhigend, sagt Datenschutzexperte Bert Hubert, der bei der Umstellung zwei große Risiken sieht. „Erstens macht man sich abhängig von den Amerikanern. Wenn man ihnen nicht gefällt, können sie einem einfach den Zugang zu diesen Cloud-Diensten entziehen.“
So erging es Anfang des Jahres dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag. Kurz nachdem das Gericht einen Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu erlassen hatte, wurde dessen E-Mail-Konto auf Geheiß der US-Regierung von Microsoft gesperrt.
Hubert: „Als Regierung könnte man anfangen zu denken: Lasst uns ein bisschen nett zu den USA sein, sonst können wir bald nicht mehr auf unsere E-Mails zugreifen. Das kostet euch Unabhängigkeitspunkte.“
Zugriff auf unsere Daten„Der zweite Aspekt ist, dass von allen Seiten klar ist, dass die US-Regierung Zugriff auf unsere Daten hat“, sagt Hubert. „Die Steuer- und Zollbehörde verfügt über eine Fülle von Informationen über jeden niederländischen Bürger, darunter beispielsweise geheime Vereinbarungen mit großen multinationalen Konzernen. Jetzt bringen Sie all das in die Reichweite der Amerikaner.“
Die Daten der Steuer- und Zollverwaltung werden auf europäischen Servern gespeichert, doch auch diese bleiben aufgrund US-amerikanischer Gesetze nicht außerhalb der Reichweite der US-Regierung.
Keine AlternativenDer Staatssekretär gibt an, dass mehrere Alternativen geprüft wurden, diese aber nicht geeignet waren. So gebe es laut Heijnen keine europäischen Dienste, „die ein vergleichbares Maß an Funktionalität, Sicherheit und Kontinuität wie M365 bieten können.“
Hubert findet das merkwürdig, „denn neun andere Ministerien haben Alternativen gefunden. Das Innenministerium beispielsweise nutzt zwar auch Microsoft-Software, speichert seine E-Mails und Dateien aber auf eigenen Servern.“
Eine solche sogenannte Hybridlösung sei „in absehbarer Zeit nicht realisierbar“, heißt es in dem Brief an das Parlament. Und der Staatssekretär wolle nicht länger warten, da die Mitarbeiter erhebliche Probleme mit der aktuellen Software hätten. Durch die Umstellung würden sie „15 bis 30 Minuten pro Tag“ einsparen, heißt es in dem Schreiben.
Experten sind der Meinung, dass Behörden von einer „niederländischen Cloud“ mehr profitieren könnten. Dieses Video erklärt, wie das funktionieren würde: