Ronan, die Robbe mit Rhythmusgefühl

Einen Rhythmus zu erfassen und sich dazu zu bewegen, ist eine typisch menschliche Eigenschaft, dachte man lange. In einer Studie konnte nun jedoch eine Seelöwin besser den Takt halten als mehrere Vergleichspersonen. Die Robbe mit Namen „Ronan“ lebt im Meeresforschungslabor der University of California und beeindruckt die Wissenschaft schon seit längerem durch ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten.
In einem Video (s.u.) ist zu sehen, wie Ronan ihren Kopf sekundengenau zu gleichmäßigen Schlagzeugklängen hebt – eine Bewegung, die am ehesten an das „Headbanging“ auf Rock-Konzerten erinnert. Der Wechsel zwischen verschiedenen Geschwindigkeiten bereitet ihr dabei keinerlei Probleme: Sie kann nicht bloß 112, sondern auch 120 und 128 Beats pro Minute konstant folgen.
Anders verhielt es sich mit den menschlichen Probandinnen und Probanden, die zum Vergleich herangezogen wurden. Zehn Studierende sollten probieren, den Takt zu halten und dazu ihren Unterarm auf und ab zu bewegen. Ihre Performance wurde gefilmt und anschließend mit der der Seelöwin verglichen. Das Ergebnis: Ronan war entweder genauso gut oder besser als die Studierenden, wenn es darum ging, sich synchron mit der Musik zu bewegen.
Die Robbe war schon im Alter von drei Jahren auf ihre musikalischen Fähigkeiten getestet worden und konnte bereits damals Rhythmen erkennen und dazu mit dem Kopf nicken. Im Vergleich zu früheren Versuchen hatte das Tier aber nun, im Alter von 15 Jahren, sein Taktgefühl noch einmal deutlich verbessert.
Dass eine Seelöwin so musikalisch ist, ist grundsätzlich überraschend. „Wissenschaftler hatten ursprünglich geglaubt, dass nur Tiere, die zum stimmlichen Lernen in der Lage sind, wie Menschen und Papageien, auch lernen könnten, einen Beat zu finden“, sagte dazu Hugo Merchant, ein Forscher vom Institut für Neurobiologie der National Autonomous University of Mexico gegenüber der Zeitung Guardian.
Stimmliches Lernen bedeutet, neue Laute durch Nachahmen erlernen zu können; besonders gut darin sind einige Vögel. So wurde der Kakadu „Snowball“ 2007 mit einem Video zum Internetstar, in welchem er zum Hit der Backstreet Boys „Everybody“ tanzt und versucht zu singen. Laut einer Analyse, die in „Current Biology“ erschien, soll Snowball über 14 klar voneinander abzugrenzende „Moves“ verfügen – und damit über ein breiteres Bewegungs-Repertoire als viele menschliche Tänzer und Tänzerinnen.
In Studien wurde zudem bereits gezeigt, dass Ratten und singende Lemuren, die begrenzt zum stimmlichen Lernen fähig sind, musikalische Muster und Rhythmen erfassen können. Während zwar andere Robbenarten zum stimmlichen Lernen in der Lage sind, sei dies bei Seelöwen in der freien Wildbahn noch nie beobachtet worden, schreiben die Forschenden in ihrer Studie. Das macht Ronan für die Wissenschaft so interessant.
Wie genau Tiere Rhythmusgefühl entwickeln, und ob und wie dies tatsächlich mit dem Lernen von Lauten zusammenhängt, ist noch nicht vollständig geklärt. Forschende gehen davon aus, dass auch andere Seelöwen mit Taktgefühl headbangen können – dass Ronan aber durch ihr einzigartiges Talent unter ihnen hervorstechen dürfte.
rnd