Abt. Q: Im Schatten des Verbrechens, in den dunklen Hallen der menschlichen Seele

In einem Keller verwandeln sich staubige Akten in offene Wunden. Die neue Netflix-Serie „Dept. Q“ verfolgt nicht nur ein Verbrechen, sondern auch das unterdrückte Gewissen, stumme Zeugen und Ungerechtigkeiten, die uns durchdrungen haben. Diese Geschichte, die in der nebligen Atmosphäre Schottlands spielt, konfrontiert die Schatten der menschlichen Seele ebenso wie die Dunkelheit des Verbrechens.
Die beeindruckende Neuproduktion auf der digitalen Plattform, Dept. Q, ist eine der seltenen Produktionen, die es schafft, nicht nur tiefer in die Verbrechen, sondern auch in die Charaktere einzutauchen. Diese Erzählung, die durch die nebligen Straßen Schottlands führt, auf der Suche nach Geheimnissen, die hinter Granitmauern verborgen sind, bietet eine vielschichtige Struktur, verwoben mit Vergangenheit, Gerechtigkeit und der Zerbrechlichkeit des menschlichen Geistes. Die Dunkelheit durchdringt nicht nur die Atmosphäre, sondern auch die menschliche Seele.
Die Serie basiert auf der weltweit auf großes Interesse gestoßenen Romanreihe „Department Q“ des dänischen Autors Jussi Adler-Olsen. Die erste Staffel basiert auf dem 2007 erschienenen Roman „Kvinden i Buret“ (Die Frau im Käfig). Die Geschichte des Romans dreht sich um die Wiedereröffnung einer vergessenen Akte über einen jungen Politiker, der vor Jahren verschwunden ist.
Regie führen Scott Frank und Elisa Amoruso. Scott Frank, der auch das Drehbuch schrieb, fungierte auch als Produzent.
Der Ort ändert sich, das Verbrechen bleibt dasselbe
Während die Ereignisse des Romans in Kopenhagen, Dänemark, stattfinden, verlagert sich die Geschichte in der Serienadaption nach Edinburgh. Dieser Wandel ist nicht nur geografisch, sondern auch kulturell. Die steinernen Straßen, alten Gebäude und die kalte und graue Atmosphäre Schottlands, wie stille Zeugen von Verbrechen und Schmerz, prägen den Geist der Serie. Die skandinavische Noir-Tradition trifft diesmal auf die neblige Dunkelheit Großbritanniens.
Charaktere: Gleiche Wunden, verschiedene Kulturen
Der Protagonist Carl Morck spielt sowohl im Roman als auch in der Serie eine zentrale Rolle. Die Namen, die Herkunft und die Beziehungen der ihn umgebenden Figuren haben sich jedoch geändert. Morcks Assistent ist im Roman der syrische Einwanderer Assad, während diese Figur in der Serie als Akram Salim neu konzipiert und in die schottische Polizei integriert wird. Doch sein Schweigen, seine Fremdheit und seine Intuition sind gleichermaßen zentral für die Erzählung.
Merete Lynggaard, die Vermisste im Roman, wird in der Serie zur jungen schottischen Staatsanwältin Merritt Lingard. Die Wahl einer Anwältin statt einer Politikerin stärkt die Glaubwürdigkeit der Anwältin vor Ort und sichert gleichzeitig die Position der Frau unter sozialem Druck und unsichtbaren Bedrohungen. In beiden Versionen ist die weibliche Figur Trägerin eines Schmerzes, der in der Öffentlichkeit aufkommt, im Privatleben aber verdrängt wird.
Gewissen im Keller
Dept. Q ist nicht nur ein Kriminalroman; es ist eine Erzählung der Selbstbeobachtung. Morcks Geschichte beginnt, als er bei einer Razzia an seinem Arbeitsplatz einen Kollegen verliert und ein anderer gelähmt wird. Dieses Trauma führt ihn in die entlegenste Ecke der Edinburgher Polizei, Dept. Q, wo die Cold-Case-Archive aufbewahrt werden. Es gibt kein Team, keine Unterstützung. Nur Fälle, die scheinbar abgeschlossen sind, es aber nie wirklich sind.
Der erste Fall ist der von Merritt Lingard, der vor Jahren auf mysteriöse Weise verschwand. Im Laufe der Ermittlungen kommt nicht nur seine dunkle Seite, sondern auch die des Systems ans Licht. Die Serie entfernt sich von der Logik „eine Episode – ein Fall“ und konzentriert sich auf einen Geisteszustand, eine Abrechnung und den Untergang einer anderen Figur.
Unsichtbare Konfrontationen
Carl Morcks Psychologie ist eine der tiefgründigsten Figuren der Serie. Dr. Rachel Irving, eine Figur, die nicht im Roman vorkommt, wird in die Serie integriert, um seine posttraumatische Belastungsstörung zu reflektieren. Durch diese Therapeutin werden Morcks Schweigen, Wut und Schuldgefühle behutsam enthüllt. Diese Therapieszenen dienen als Spiegel, der in die Tiefen der Figur eintaucht und das Publikum gleichzeitig mit seiner eigenen inneren Stimme allein lässt.
Die Nebenfiguren vervollständigen dieses psychologische Muster: Hardys Sätze aus seinem Krankenhausbett, Roses verdrängtes Trauma, Akram Salims Augen, die sich für die Vergangenheit öffnen … Sie alle verleihen der Serie eine polyphone und vielschichtige Note.
Visualität und Dunkelheit: Erinnerung an einen Ort
Edinburgh ist nicht nur ein Ort; es ist wie eine Figur, die den Rhythmus der Erzählung bestimmt und die Emotionen durchdringt. Graue Steinmauern, enge Gassen, gotische Gebäude und gedämpftes Licht bringen die unterdrückten Emotionen, die die Serie dominieren, an die Oberfläche. Keller werden zu Orten, an denen nicht nur vergessene Akten, sondern auch unterdrückte Gewissen lagern. Jedes Detail unterstützt die psychologische Intensität der Erzählung.
Das Drehbuch ist, wie Guardian-Kritikerin Lucy Mangan es formulierte, „scharfsinnig und sparsam“. Es gibt keinen unnötigen Satz, keine unnötige Szene. Morcks ironischer Ton vermischt sich mit subtilen Schichten schwarzen Humors. Die Serie hält sich nicht an die klassische Detektivformel; sie transformiert sie.
In Bodrum wird Gerechtigkeit gesucht
Dept. Q erzählt nicht nur von Morden oder Verschwinden; es erzählt von Menschen, die vom System vergessen wurden, von ignoriertem Gerechtigkeitsbedürfnis und unterdrücktem Schmerz. Jede neu geöffnete Akte reißt ein weiteres Pflaster ab. Die Serie stellt nicht nur die Frage: „Wer hat es getan?“, sondern auch: „Wer hat geschwiegen?“, „Wer hat geschaut und nichts gesehen?“, „Wer hat vergessen?“
Gerechtigkeit ist manchmal die Spur einer Halskette, manchmal das Echo der Stille. In diesem Archiv im Keller hallen die Stimmen der Vergangenheit wider, die vergessen werden soll. Abteilung Q öffnet diese Tür; es liegt am Betrachter, einzutreten.
Cumhuriyet