Medikamentenverkauf in Supermärkten: Fortschritt beim Zugang zu Medikamenten oder ein Gesundheitsrisiko?

Im September gewann die Debatte um den Verkauf von Medikamenten in brasilianischen Supermärkten an Fahrt. Auslöser der Diskussion war die Verabschiedung des Gesetzesentwurfs (PL) 2.158/2023 durch den Senat, der die Einrichtung von Apotheken in Supermärkten erlaubt. Die vom Senat beschlossene Änderung sieht jedoch nicht vor, dass Medikamente, wie im ursprünglichen Entwurf nach US-amerikanischem Vorbild vorgesehen, in Regalen mit der gleichen Zugänglichkeit wie andere Produkte präsentiert werden müssen. Dennoch wurden Bedenken hinsichtlich der Risiken dieser Maßnahme geäußert, insbesondere im Hinblick auf die Selbstmedikation.
„Die Diskussion muss verantwortungsvoll geführt werden, wobei nicht nur die Bequemlichkeit, sondern vor allem die Patientensicherheit berücksichtigt werden muss. Sie muss sich an klaren Richtlinien mit konkreten Grenzen für Genehmigungen, Einschränkungen und Mechanismen der Gesundheitsaufklärung orientieren“, sagt der Haus- und Gemeindearzt Wilands Procópio Gomes vom Einstein Hospital Israelita.
Dem aktuellen Text zufolge müssen Supermärkte, die Medikamente verkaufen möchten, separate, vollwertige Apotheken einrichten, in denen während der gesamten Öffnungszeiten ein Apotheker anwesend sein muss. Das Projekt sieht außerdem Beratungsräume vor, in denen – wie bereits in unabhängigen Apotheken üblich – eine individuelle und vertrauliche Beratung möglich ist. Das bauliche Konzept ähnelt dem bestehender Apotheken in Verbrauchermärkten, mit dem Unterschied, dass sich die Apotheken im Kassenbereich befinden. Die Bezahlung kann zusammen mit anderen Einkäufen erfolgen, bei verschreibungspflichtigen Medikamenten jedoch nur in versiegelter Verpackung.
Der Bundesapothekerrat (CFF), der sich anfangs gegen die Änderung aus Angst vor einer Verharmlosung des Arzneimittelkonsums ausgesprochen hatte, unterstützte den Vorschlag schließlich in der vom Senat verabschiedeten Fassung. „Das Modell vereint Praktikabilität mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und erhält die technische Kontrolle sowie die fachliche Beratung als Säulen des rationalen Arzneimittelgebrauchs aufrecht“, so Walter Jorge João, Präsident des CFF.
In öffentlichen Anhörungen zu diesem Thema, als der Vorschlag noch in der Beratung war, sprachen sich sowohl das Gesundheitsministerium als auch die Nationale Gesundheitsüberwachungsbehörde (Anvisa) gegen die Maßnahme aus. Der Nationale Gesundheitsrat (CNS) lehnte „jeden Gesetzesvorschlag ab, der den Verkauf von Medikamenten in Supermärkten vorsieht“. Auf Anfrage von Agência Einstein äußerten sich die Behörden nicht dazu, ob die vor der Zustimmung des Senats vorgenommenen Änderungen am Text ausreichten, um die in den Verhandlungsrunden geäußerten Risiken einer Verharmlosung der Selbstmedikation und Schwierigkeiten bei der Überwachung der kontrollierten Substanzen zu vermeiden.
Zwischen 1994 und 1995 verkauften brasilianische Supermärkte Medikamente, die in diesem Zeitraum bis zu 1,3 % des gesamten Schmerzmittelmarktes ausmachten. Die Maßnahme war damals ein sogenanntes „Jabuti“ (eine Gesetzesänderung, die in den Text eines themenfremden Vorschlags eingefügt wurde) und Teil der provisorischen Maßnahme zur Einführung des Realplans.
Als die Wirtschaftsmaßnahme in Kraft trat, wurden die Bestimmungen zu den Verkaufsstellen für Arzneimittel aus dem Text gestrichen. Dieser Schritt erfolgte nach Stellungnahmen des Bundesverbands der Apotheker (CFF), des Bundesverbands der Ärzte (CFM) und anderer Gesundheitsbehörden, die die Parlamentarier darauf aufmerksam machten, dass die Maßnahme den Gebrauch von Medikamenten trivialisiere und die Möglichkeiten zur Kontrolle potenziell schädlicher Substanzen einschränke.
Das Risiko der Selbstmedikation ist besorgniserregend.
Obwohl die aktuell diskutierte Maßnahme mehr Kontrolle im Gesundheitswesen ermöglicht, bleibt die Befürchtung bestehen, dass sie die Selbstmedikation begünstigen könnte. Denn selbst rezeptfreie Medikamente wie Schmerzmittel können bei übermäßiger oder falscher Anwendung schwerwiegende Folgen haben. „Selbstmedikation, auch mit rezeptfreien Medikamenten, kann Nebenwirkungen und Vergiftungen verursachen und Krankheiten verschleiern, die einer Diagnose bedürfen. Ohne angemessene Überwachung kann sie Menschenleben gefährden“, warnt der Arzt des Einstein-Krankenhauses.
Daten aus dem jüngsten, im Juni dieses Jahres von Anvisa veröffentlichten Informationsbulletin zur Marktbeobachtung zeigen, dass im Jahr 2024 in Brasilien 56.500 unerwünschte Arzneimittelwirkungen gemeldet wurden, von denen 40 % schwerwiegend waren und 3,2 % zum Tod führten. Das am häufigsten mit diesen Ereignissen in Verbindung gebrachte Medikament war Metamizol (Dipyrone), das rezeptfrei erhältlich ist. Bereits der erste Bericht zu diesem Thema aus dem Jahr 2021 wies darauf hin, dass von allen Vergiftungen im Zusammenhang mit gesundheitsüberwachungspflichtigen Produkten (91.883) 79,7 % auf Medikamente (74.123) zurückzuführen waren.
Eine im März dieses Jahres in der Fachzeitschrift „Research, Society and Development“ veröffentlichte Studie zeigt, dass rezeptfreie Medikamente zwar nur selten mit Todesfällen in Verbindung gebracht werden und das Risiko 50-mal geringer ist als bei verschreibungspflichtigen Medikamenten, sie aber dennoch nicht risikofrei sind, gerade weil sie häufig verwendet werden. So ist beispielsweise das Anlegen von Vorräten zu Hause und das Weitergeben von Medikamenten an Bekannte weit verbreitet.
Deshalb gilt die ständige Anwesenheit eines Apothekers in Verkaufsstellen für Arzneimittel als unerlässlich. „Die Anwesenheit eines Experten ermöglicht es jedem Patienten, eine sichere Beratung zur Medikamenteneinnahme zu erhalten. Diese Voraussetzung gewährleistet in Verbindung mit ethischer und hygienischer Aufsicht den rationalen und verantwortungsvollen Umgang mit Arzneimitteln“, erklärt Walter João.
Die Diskussion um diese Maßnahme dürfte weitere Debatten auslösen, da der vom Senat verabschiedete Vorschlag noch im Parlament und somit auch in der gesamten Gesellschaft diskutiert wird. „Wir müssen den genauen Punkt finden, an dem die potenziellen Vorteile eines verbesserten Zugangs zu Medikamenten und der Verringerung von Lieferengpässen die konkreten Risiken der Selbstmedikation nicht überwiegen“, betont der Arzt des Einstein-Krankenhauses.
Quelle: Einstein Agency
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