Dies ist das Geheimnis der Ergebnisse von Gregor Deschwanden. Ein Wundertäter aus Holland fand eine Lücke in den Vorschriften
Seit Saisonbeginn stehen die Schweizer Skispringer unter genauer Beobachtung. Grund hierfür sind ihre angeblichen „Wunderanzüge“. Auch dank ihnen stand Gregor Deschwanden zuletzt viermal auf dem Weltcup-Podest, ist Sechster in der Gesamtwertung und zählt bei der am Mittwoch beginnenden WM zu den Medaillenkandidaten. Dass die Schweizer Skispringer auch im Anzugbereich endlich konkurrenzfähig sind, verdanken sie... einem Niederländer. «Blick» traf Robin van Baarle in seinem Wassersportgeschäft in Einsiedeln.
Eines stellt Van Baarle gleich klar: „Ich habe keine Ahnung vom Skispringen.“ Und das ist sein großer Vorteil. „Meine Ideen sind unkonventionell. Ich wurde schon als Verrückter bezeichnet“, sagt er.
Der Niederländer tüftelt seit zwei Jahren an den Anzügen der Schweizer. Das Stellenangebot des Schweizer Skiverbandes überraschte ihn. „Ein Holländer im Skispringen? Die spinnen!“ - dachte er.
Vom Briefträger zum SkispringerNach anfänglicher Skepsis stellte van Baarle fest, dass seine Erkenntnisse auf das Skispringen übertragbar waren. Als Segeldesigner beschäftigte er sich bereits mit der Frage, wie Stoffe bei der Interaktion mit Luft optimal funktionieren.
Van Baarle kommt ursprünglich aus dem Windsurfen und wurde dort 1990 Junioren-Weltmeister. 2011 zog er zu seiner damaligen Frau in die Schweiz. In der Schweiz arbeitete er unter anderem als Briefträger. Vor sechs Jahren eröffnete er in Einsiedeln ein Sportgeschäft.
Die Skisprung-Regeln machten ihm Angst und er wollte aufgeben.Zu Beginn seines Skisprung-Abenteuers bewahrte ihn Google vor einem peinlichen Missgeschick. „Ich wusste nicht, wie Simon Ammann aussieht“, gesteht er. Um den vierfachen Olympiasieger wiederzuerkennen, prägte er sich vor dem ersten Aufeinandertreffen dessen Gesicht anhand eines Fotos aus dem Internet ein.
Einen Spielraum innerhalb der Vorschriften bezüglich Skisprunganzüge zu finden, erwies sich als weitaus komplizierter. Die Rezepte sind über 30 Seiten lang. „Als ich ihn das erste Mal sah, wollte ich sofort aufhören. Ich dachte, ich hätte keinen Handlungsspielraum.“ Jetzt kennt Van Baarle die Regeln auswendig und er weiß, dass er falsch lag.
Vor kurzem ließen sich die Schweizer ihre Overalls von einem Trainer nähen.Was die Schweizer Anzüge in diesem Jahr so gut macht, behält der Niederländer für sich. „Auch Coca-Cola verrät sein Erfolgsrezept nicht“, erklärt er lachend. Wer sich in seinem Laden umschaut, kann erahnen, was ihn auszeichnet. Es gibt elf verschiedene Nähmaschinen. „Ich achte auf jedes Detail.“ Die Meinung der Sportler ist ihm sehr wichtig.

Diese professionelle Zusammenarbeit zwischen dem Anzughersteller und den Skispringern besteht erst seit zwei Jahren. Bisher war es der ehemalige Cheftrainer Ronny Hornschuh, der abends nach der Sichtung der Aufnahmen von der Schanze und den Besprechungen mit der Mannschaft zu Schere und Nadel greifen musste.
Nun begleitet van Baarle das Team mit zwei Nähmaschinen und Prüfgeräten, um eine Disqualifikation zu verhindern. Sein Einfluss auf die Weltcupwochenenden war in dieser Saison jedoch begrenzt. Schuld daran ist die neue Regelung.
Das unerfüllte Versprechen der FISJeder Teilnehmer darf pro Saison nur zehn Anzüge verwenden. Sie werden von Kontrolleuren mit Mikrochips und einem Symbol gekennzeichnet. Spontane Änderungen vor Ort sind nicht mehr möglich. „Es ist viel gerechter als zuvor“, sagt ein zufriedener van Baarle.
Gleichzeitig werden Finanzlügen aufgedeckt. Die Organisatoren hofften, dass die neue Regelung zu Kosteneinsparungen führen würde. Dies würde die Haushalte kleiner Länder wie der Schweiz entlasten. „Eine Fehleinschätzung. Unsere Materialkosten sind genauso hoch wie im letzten Jahr“, sagt der Niederländer. Anzüge werden heute immer häufiger im Training und nicht mehr bei Wettkämpfen getestet.
„Gregor Deschwanden wäre auch im Schlafsack weit gesprungen“Wie heikel das Thema Anzug ist, erkennt man daran, dass bereits die Farbe Einfluss auf das Verhalten während des Fluges hat. „Jede Farbe hat andere Eigenschaften“, erklärt van Baarle. Es handelt sich vor allem um einen psychologischen Effekt. Deschwanden springt immer mit einem orangenen Modell. „Als er mit einer identischen blauen Version über den Berg flog, fühlte er sich nicht wohl.“
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Seit letztem Jahr können die Schweizer mehrere exakt identische Anzüge herstellen – dank einer computergesteuerten Schneidemaschine. „Früher musste ich alles mit der Schere machen. Die Fehlerquote ist relativ hoch“, verrät van Baarle.
Trotz vieler Fortschritte bleibt der Niederländer bescheiden. Statt sich selbst zu loben, scherzt er: „Deschwanden ist im Moment so gut, dass er sogar im Schlafsack weit springen würde.“
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