Tiefseebergbau: Trump fördert umstrittenen Rohstoffabbau trotz internationaler Kritik

In der Tiefsee liegt Amerikas Energiezukunft. Davon ist Donald Trump überzeugt. Der US-Präsident unterzeichnete am vergangenen Donnerstag ein Dekret zur Förderung des Tiefseebergbaus. Darin wies er unterschiedliche Ministerien an, die Verfahren zur Erteilung von Genehmigungen für den kommerziellen Abbau von Rohstoffen auf dem Meeresboden sowohl in internationalen als auch nationalen Gewässern zu beschleunigen. In den Meeresgebieten soll demnächst die kanadische Firma „The Metals Company“ (TMC) Manganknollen abbauen.
Manganknollen sind schwarze Klumpen, die in 4000 bis 6000 Metern Tiefe auf dem Meeresboden liegen. Das Besondere an ihnen ist: Sie enthalten Metalle, vor allem – wie der Name schon sagt – Mangan, aber auch Eisen, Nickel, Kupfer, Titan und Kobalt. Damit ließe sich eine Vielzahl an alltäglichen Dingen herstellen – wie Smartphones, Tablets oder E-Bikes. Das weltweit größte Manganknollengebiet ist die Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik. Auf die hat es auch TMC abgesehen.

Manganknollen sind reich an verschiedenen Metallen.
Quelle: IMAGO/piemags
Die Tinte auf Trumps neuem Dekret war noch nicht getrocknet, da reichte der Bergbaukonzern schon bei den US-Behörden eine Erlaubnis für den Tiefseebergbau ein. Es ist der erste Antrag dieser Art – und aus Sicht von Firmenchef Gerard Barron ein wegweisender Moment: „Der heutige Tag ist ein großer Schritt nach vorn – nicht nur für TMC USA, sondern auch für die Unabhängigkeit Amerikas von Mineralien und den Wiederaufschwung der Industrie“, sagte er.
Für Meeresschützer ist dieser Schritt hingegen eine „ökologische Katastrophe mit Ansage“. So nannte es Greenpeace-Meeresexpertin Daniela von Schaper. „Riesige Maschinen vernichten ein empfindliches Ökosystem, das sich vielleicht nie wieder erholen wird.“ Trumps Vorgehen verstoße gegen sämtliche Absprachen der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA). Denn eigentlich bestand der internationale Konsens, dass man mit dem Tiefseebergbau erst beginnt, wenn ein gemeinsames Regelwerk dafür vorliegt.
Manganknollen sind sogenannte Agglomerate, also Anhäufungen. Sie entstehen, indem sich im Meerwasser gelöste Metallverbindungen nach und nach an einer Art Keim am Meeresboden ablagern. Der Keim kann alles Mögliche sein – ein Haifischzahn zum Beispiel oder Muschelsplitter. Das Wachstum von Manganknollen ist extrem langsam: Pro Million Jahre wachsen sie nur um wenige Millimeter. „Daraus folgt, dass sich Manganknollen nur dort bilden konnten, wo über derart lange Zeiträume gleiche Umweltbedingungen herrschten“, heißt es im „World Ocean Review“. Der Bericht nennt vier Faktoren, die entscheidend dafür sind, dass Manganknollen wachsen: eine geringe Ablagerung (Sedimentation) von Schwebstoffen, damit die Knollen nicht überdeckt werden; einen steten Zufluss von antarktischem Tiefenwasser, das feine Sedimentpartikel fortschwemmt; eine gute Sauerstoffversorgung; wässriges Sediment. Wie hoch der Metallgehalt in den Manganknollen ist, ist wiederum davon abhängig, wo die Knollen wachsen.
Doch dieses internationale Vertragswerk verzögert sich weiterhin. Die Mitgliedsstaaten der ISA haben es nach mehreren Jahren noch immer nicht geschafft, sich auf allgemeingültige Richtlinien für den Tiefseebergbau zu einigen. Auch die jüngste Sitzung im März endete ohne finale Einigung. Die Verhandlungen sollen im Juli fortgesetzt werden.
„Das Vorgehen Trumps übt weiteren Druck auf die internationalen Verhandlungen der Regelungen im Rahmen der Internationalen Meeresbodenbehörde aus“, sagt Nele Matz-Lück, geschäftsführende Direktorin am Walther-Schücking-Institut für internationales Recht der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. „Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Staaten sich nur deshalb schnell – in der nächsten Sitzung im Juli bei der ISA – auf die notwendigen detaillierten Regelungen einigen können.“

Am Meeresboden lagern wichtige Rohstoffe wie seltene Erden, Mineralien und Metalle. Diesen Schatz will Norwegen bergen und Tiefseebergbau betreiben. Doch wofür braucht es die Rohstoffe? Und wie könnten sie abgebaut werden? Fragen und Antworten zum Tiefseebergbau.
Bisher regelt das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) von 1994, wie die Meere genutzt werden. Demnach stehen die internationalen Gewässer grundsätzlich allen Staaten zur Nutzung offen, unterliegen aber internationalen Regeln. Mit dem UNCLOS hatten die Vertragsstaaten den Meeresboden zum „gemeinsamen Erbe der Menschheit“ erklärt und die ISA eingesetzt, um sämtliche Explorations- und Abbauaktivitäten von Bodenschätzen in internationalen Gewässern zu regulieren.
Trump will die Zuständigkeit der ISA nun untergraben – und stützt sich auf ein nationales Gesetz aus dem Jahr 1980. Der „Deep Sea Hard Mineral Resources Act“ (DSHMRA) erlaubt der US-Regierung, Genehmigungen für den Abbau von Bodenschätzen in internationalen Gewässern zu erteilen. Und noch zwei andere Dinge spielen Trump in die Karten:
- „Die USA sind eines der wenigen Länder, die das Internationale Seerechtsübereinkommen nicht unterzeichnet haben“, sagt Andreas Manhart vom Öko-Institut Freiburg. Das heißt, das Land ist rechtlich nicht an das Abkommen gebunden. Trump könnte den Tiefseebergbau also ungehindert freigeben.
- Die Frist der sogenannten Zwei-Jahres-Klausel ist im Juli 2023 verstrichen. Der Inselstaat Nauru hatte im Jahr 2021 angekündigt, als Sponsor von TMC den ersten Antrag auf kommerziellen Tiefseebergbau bei der ISA zu stellen – und damit die Zwei-Jahres-Klausel ausgelöst, die im UNCLOS verankert ist. Sie besagt, dass die ISA eine Frist von zwei Jahren hat, um nach Eingang eines Abbauantrags Regeln festzulegen. Oder, wenn das nicht geschieht, müssen Anträge von Unternehmen vorläufig genehmigt werden. Jetzt, wo die Frist abgelaufen ist, sind also alle Staaten berechtigt, eine Lizenz zum Beginn des Tiefseebergbaus bei der ISA zu beantragen.
Scharfe Kritik an Trumps Tiefsee-Dekret kommt von ISA-Generalsekretärin Leticia Reis de Carvalho. Sie macht deutlich: „Kein Staat hat das Recht, die Bodenschätze des Gebiets außerhalb des durch das Seerechtsübereinkommen (SRÜ) geschaffenen Rechtsrahmens einseitig auszubeuten. Es ist allgemein anerkannt, dass dieses Verbot für alle Staaten bindend ist, auch für diejenigen, die das SRÜ nicht ratifiziert haben.“
Der DSHMRA, auf den sich Trump beruft, könne nur für Rohstoffe gelten, die auf dem amerikanischen Meeresboden gefunden werden, „da alles darüber hinaus zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehört“. „Das bedeutet, dass wir alle an den Geschehnissen in der Tiefsee beteiligt sind“, so de Carvalho weiter. „Es bedeutet auch, dass jede einseitige Maßnahme nicht nur diesen sorgfältig ausgehandelten Vertrag und die jahrzehntelange erfolgreiche Umsetzung und internationale Zusammenarbeit gefährdet, sondern auch einen gefährlichen Präzedenzfall schafft, der das gesamte System der globalen Meerespolitik destabilisieren könnte.“
Kritik daran, dass die Regulierungsprozesse der ISA zu langsam vorangehen, weist die Generaldirektorin zurück. „Verhandlungen, an denen 169 Länder beteiligt sind und bei denen grundlegende Konzepte wie das ‚gemeinsame Erbe‘ und der globale ‚Vorteilsausgleich‘ umgesetzt werden, bei denen viele Interessen auf dem Spiel stehen, aber insgesamt ein Gemeingut, das allen gehört, werden nie einfach sein“, sagt sie.
Nach wie vor ist die Mehrheit der Staaten gegen einen übereilten Beginn des Tiefseebergbaus. Auch, um Tiefseeforscherinnen und Tiefseeforscher Zeit einzuräumen, damit sie weiteres Wissen zu dem sensiblen Ökosystem sammeln können. Denn noch ist zu wenig über die Tiefsee und deren Artenvielfalt bekannt. Forschende können weiterhin nicht einschätzen, was ein Eingriff des Menschen für Folgen haben könnte.
Fraglich ist zudem, ob es den Manganknollenabbau überhaupt benötigt. Nach Berichten des Öko-Instituts im Auftrag von Greenpeace und der Umweltstiftung WWF ist der Tiefseebergbau für die Energie- und Verkehrswende nicht unbedingt nötig. Bei Rohstoffen wie Lithium oder Graphit, die für Batterien benötigt werden, könne er keine Abhilfe schaffen.
Auch Manhart erklärt: „Der Verweis auf die angeblich so große Vielfalt an kritischen Rohstoffen ist trügerisch. Zwar sind zahlreiche Elemente in Spuren in den Knollen enthalten, realistischerweise können aber nur sehr wenige davon tatsächlich aus diesen Knollen gewonnen werden.“ Eigentlich kämen die Knollen nur als Quellen von Kupfer, Kobalt und Nickel infrage. „Seltene Erden werden die Knollen jedenfalls nicht liefern – egal wie viel Forschung noch in die Förder- und Verarbeitungstechnik gesteckt wird.“
Sollte die Trump-Regierung TMC tatsächlich eine Abbaugenehmigung erteilen, könnte das Nachahmer auf den Plan rufen, befürchten Fachleute. Manhart warnt etwa vor einer „unkontrollierbaren Kettenreaktion“: „Denn welcher Staat wird sich dann noch an den Verhandlungstisch setzen, um über Bedingungen und Schutzzonen zu verhandeln, während die USA bereits nach eigenen Spielregeln loslegen?“, gibt er zu bedenken. „Das wäre Wildwest 2.0 mit dem Recht des Stärkeren und einem rücksichtslosen Run auf die besten Claims (Förderrechte, Anm. d. Red.).“
Greenpeace-Meeresexpertin von Schaper fordert deshalb, dass sich die Staaten für ein globales Moratorium für den Tiefseebergbau aussprechen. Also einen vertraglich vereinbarten Aufschub. Zudem müssten sie den USA aufzeigen, dass Trumps Alleingang gegen geltendes Völkerrecht verstoße. „Die Bundesregierung muss sich dafür bei der nächsten ISA-Verhandlung im Juli einsetzen.“
rnd