Intel teilverstaatlicht: Donald Trump betreibt weiterhin aktiv Industriepolitik


Für Donald Trump ist es, wie meistens, wenn er selbst am Verhandlungstisch sitzt, ein «grossartiger Deal». Die amerikanische Regierung beteiligt sich am kriselnden Halbleiterhersteller Intel – und übernimmt ein Aktienpaket von 10 Prozent. Das bestätigten am Freitag (Ortszeit) sowohl Trumps Administration als auch das Unternehmen. Es handelt sich dabei um die grösste staatliche Investition seit der Finanzkrise im Jahr 2008, als die USA Banken und Autoherstellern unter die Arme griffen.
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In einer Mitteilung schreibt Intel, dass der Staat 433,3 Millionen neue Stammaktien erhalte, für 8,9 Milliarden Dollar. Der Kaufpreis pro Aktie liegt bei 20.47 Dollar – und damit etwa 4 Dollar unter dem Schlusskurs vom Freitag. Die amerikanische Regierung kann binnen fünf Jahren auch einen weiteren Anteil von 5 Prozent zum Preis von 20 Dollar pro Aktie nachkaufen, falls Intel weniger als 51 Prozent an seinem Fertigungsgeschäft halten sollte.
Trump schrieb auf seinem Netzwerk Truth Social, dass die USA für diese Anteile «nichts bezahlt» hätten. Er stützt sich dabei auf den Standpunkt, dass die Gelder aus bereits versprochenen, aber noch nicht ausbezahlten Zuschüssen aus dem sogenannten Chips-Act (5,7 Milliarden) und dem Secure-Enclave-Programm (3,2 Milliarden) stammen. Insgesamt beläuft sich das staatliche Investment auf etwas über 11 Milliarden, da Intel aus dem Chips-Act bereits 2,2 Milliarden bekommen hat.
Der Intel-Chef Lip-Bu Tan zeigt sich ebenfalls erfreut über das Geschäft: Man sei «dankbar für das Vertrauen» der Trump-Regierung, und man freue sich, daran zu arbeiten, «die Führungsrolle der USA in den Bereichen Technologie und Fertigung weiter auszubauen».
«Geldverschwendung»Das ist eine erstaunliche Wendung. Noch vor wenigen Wochen hatte Trump aufgrund der Milliardenverluste bei Intel den Rücktritt Tans gefordert – und diesem eine Nähe zu China unterstellt. Nun nennt er ihn den «höchst respektierten» Intel-CEO. Auch politisch vollzieht der amerikanische Präsident eine Kehrtwende, nachdem er zuvor die staatlichen Subventionsprogramme wie den Chips-Act, die Joe Biden ins Leben gerufen hatte, als «Geldverschwendung» bezeichnet hat. Trump setzte zuvor lieber auf Importzölle, damit die Halbleiterhersteller ihre Produkte in den USA fertigen.
Kritiker monieren diese Industriepolitik. Die vermeintlich unsichtbare Hand des Marktes – also die Selbststeuerung durch Angebot und Nachfrage – werde immer sichtbarer. Es entstehe eine zunehmend planwirtschaftliche Mischung aus Sozialismus und Kapitalismus, bestimmt von der Willkür des Präsidenten der USA.
Der Grad der Bevormundung nimmt zu. Auch andere Halbleiterfabrikanten wie Nvidia und AMD sind neuerdings verpflichtet, 15 Prozent ihrer in China erwirtschafteten Erlöse der amerikanischen Regierung abzugeben. Der Verkauf von US Steel an die japanische Nippon Steel wurde nur genehmigt, da die USA eine «goldene Aktie» erhalten: ein faktisches Vetorecht gegen unerwünschte Unternehmensentscheide. Zudem wird berichtet, dass die USA planen, grösster Anteilseigner des Bergbauunternehmens MP Materials zu werden, um die Produktion von Seltene-Erden-Magneten zu steigern.
Bei Intel, so bekräftigt der amerikanische Handelsminister Howard Lutnick, handle es sich nun allerdings um eine Aktienbeteiligung ohne Stimmrecht. Die Regierung könne dem Unternehmen damit nicht vorschreiben, wie es sein Geschäft zu führen habe. Es gebe auch keinen Platz im Vorstand für die Regierung, und es gebe die Zustimmung, sich bei «Aktionärsabstimmungen dem Verwaltungsrat anzuschliessen». Allerdings gebe es «begrenzte Ausnahmen». Wohl auch darum wird befürchtet, dass Trumps Vorgehen neue unternehmerische Risiken schaffe.
Dass Trump von seiner Zollstrategie abweicht, wird mit den Sicherheitsinteressen der USA begründet. Neben Intel gibt es nur zwei Unternehmen, die moderne Computerchips herstellen können: Samsung und die taiwanische TSMC. 90 Prozent der Chips bezieht Amerika von TSMC, die Abhängigkeit ist also aus Sicht der Amerikaner viel zu gross. Vor allem, weil China Taiwan für sich beansprucht. Im Falle eines Krieges könnten die USA den Zugang zu den Chips und ihrer Technologie verlieren. Das Handelsministerium sagt, dass das ähnlich gravierende Folgen hätte wie die Grosse Depression vor fast hundert Jahren, als die amerikanische Wirtschaft um einen Drittel einbrach.
Darum gilt Intel als beste Versicherung für die USA, falls es zu einem Krieg um Taiwan käme. Das Unternehmen ist der einzige Hersteller, der für das amerikanische Militär produziert. Das Land ist deswegen auf Intels Erfolg angewiesen, will es seine Vormachtstellung behalten. Zudem bilden die Chips, an denen Intel forscht, die Basis aller KI-Systeme. Bei der künstlichen Intelligenz sind die Amerikaner mit China ebenfalls im Kampf um die Vorherrschaft.
Wollen die USA technologisch unabhängig werden, gilt Intel als die letzte Hoffnung. Da moderne Computerchips unerlässlich sind, gibt es nun jedoch auch Industriepolitik-Kritiker, die die staatliche Unterstützung begrüssen.
«Donald Trump ist ein Sozialist»Ob dieses Vorhaben gelingen kann, gilt aber weiterhin als fraglich. Der Halbleiterhersteller hat zwar den Anschluss an die technologische Spitze bei der Chipproduktion wieder geschafft, zuvor aber in diesem Jahrtausend jede Neuerung verpasst (beispielsweise bei Smartphones) – und schreibt deswegen seit Jahren Verluste in Milliardenhöhe. Gleichzeitig muss der Konzern weiterhin sparen und Personal abbauen.
Das Unternehmen zeigt sich bemüht, nun für Aufbruchstimmung zu sorgen. Und lässt wichtige Kunden zu Wort kommen, die die Staatsbeteiligung loben. Microsoft spricht anerkennend von einer «kühnen Strategie» Trumps, die Halbleiterindustrie auf «amerikanischem Boden» wieder aufzubauen. Der Chef von Amazon Web Services, ein Tochterunternehmen des Onlinehandelgiganten, spricht sogar von einer neuen Ära «amerikanischer Innovation», die eingeläutet worden sei.
Durchaus etwas weniger euphorisch zeigt sich die Politik. Auch in den Reihen der Republikaner. Der Senator Rand Paul sagte schon vor der definitiven Bekanntgabe der staatlichen Beteiligung, dass diese eine «schreckliche Idee» sei und einen Schritt «in Richtung Sozialismus» bedeute.
Pointierter drückte es Trumps neuer Erzfeind aus: Gavin Newsom, der demokratische Gouverneur aus Kalifornien mit Präsidentschaftsambitionen, schrieb auf der Plattform X: «Donald Trump ist ein Sozialist.»
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