DSL-Schluss 2040: Digitalminister Wildberger plant lange Übergangsfrist

Es ist das größte Projekt in der jüngeren Historie der deutschen Telekommunikation: die sogenannte Kupfer-Glasfaser-Migration. In der Branche wird seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert, wie die Herkulesaufgabe bewerkstelligt werden kann. Jetzt hat Digitalminister Kasten Wildberger (CDU) mit einem Eckpunktepapier Pflöcke für die Weiterentwicklung der digitalen Infrastruktur eingerammt. Und siehe da: Die Telekom zeigt Skepsis, während die Konkurrenz den Minister lobt.
Migration bedeutet, die Kupferleitungen, die noch aus der Ära des Fernsprechers stammen, stillzulegen. Dieses Netz gehört zum größten Teil der Deutschen Telekom. Der Magenta-Konzern hat es in den vergangenen Jahren modernisiert und in mehreren Schritten fürs Internet fit gemacht – bekannt als DSL.
Doch die Glasfaser kann erheblich schneller die Bits und Bytes durch die Netze jagen. Deshalb soll sie das Kupfer komplett ersetzen. Ein brisantes Manöver, denn aktuell sind Glasfaseranschlüsse in der Regel noch deutlich teurer als das nach wie vor beliebte DSL – das bundesweit auf etwa 23 Millionen Anschlüsse kommt.
Der Minister gibt für die Migration einen Zeitraum vor, der nicht unbedingt den Geschmack der T-Rivalen trifft. 2028 soll es losgehen und 2040 das große Umschalten abgeschlossen sein. Erst dann würde das letzte DSL-Kabel gekappt. Auch die EU-Kommission hat eigentlich ehrgeizigere Zeitpläne, will am liebsten schon 2030 den Kupfer-Ausstieg.
Gleichwohl zeigt sich zum Beispiel Vodafone-Deutschland-Chef Marcel de Groot erfreut. Er sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Das Aus fürs lahme DSL ist eingeleitet. Für mehr Wettbewerb und mehr Geschwindigkeit. Für Verbraucher und Wirtschaft.“ All das sei gut für den Digitalstandort Deutschland.
Auch Philipp Müller, Geschäftsführer des Breitbandverbandes Anga, argumentiert in diese Richtung. Er sagte dem RND: „Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und Modernisierung hängen entscheidend von einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur ab.“ Es gelte nun, die Umschaltung konsequent anzugehen. Die alten Kupfernetze verhinderten eine konsequente Nutzung der vorhandenen Glasfaserinfrastruktur. Allein der parallele Betrieb verursache „ineffiziente Doppelinvestitionen in Höhe von bis zu 2,5 Milliarden Euro pro Jahr“.
De Groot fordert ebenfalls, Tempo zu machen: „Als nächstes müssen rasch Schritte folgen, damit die Gigabitwende auch konsequent umgesetzt wird.“ Wie das konkret funktionieren soll, ist allerdings in weiten Teilen noch unklar. Und die Befürchtung, Verbraucher zu verschrecken, ist in der Branche groß. Wildberger jedenfalls schlägt vor, die Migration sukzessive – also Ortsnetz für Ortsnetz – anzugehen. Für die Reihenfolge soll gelten: Vorfahrt haben Kommunen, in denen bereits ein erkleckliches Glasfasernetz existiert.
Bislang liegt die Entscheidung über das Wann und das Wo beim Ab- und Umschalten allein bei der Telekom. Wildberger bringt nun ein neues Regelwerk ins Spiel. So soll die Bundesnetzagentur (BNetzA) als Aufsichtsbehörde einen Gesamt-Migrationsplan von den Bonnern erzwingen können. Damit geht das Ministerium auf eine maßgebliche Forderung der Konkurrenten ein. „Das Ministerium hat erkannt, dass die Migration von Kupfer auf Glas nicht allein in der Entscheidungsgewalt der Telekom liegen darf und eine wirksame Aufsicht braucht“, betont denn auch Frederic Ufer, Geschäftsführer des Branchenverbandes VATM. Dies stärke das Vertrauen der Investoren.
Hingegen sagte eine Telekom-Sprecherin dem RND: „Wir nehmen das Papier zur Kenntnis. Ob dies den weiteren Ausbau voranbringt oder Investitionen eher erschwert, bleibt abzuwarten.“ Sie hebt ferner hervor, der Plan des Digitalministeriums stelle klar, dass vor dem zweiten Schritt zunächst der erste erfolgen müsse: „Der Ausbau der Netzebene vier, also der Glasfaser in den Häusern.“
Es geht um Kommunen, wo die superschnellen Leitungen zwar bereits im Boden liegen, aber insbesondere Mietshäuser noch nicht erschlossen sind. „Hier braucht es dringend Verbesserungen beim Zugang zu den Häusern“, so die Sprecherin. Und sie wundert sich, „dass die Abschaltung der alten Koax-Kabelnetze nicht vorkommt, obwohl diese Kupfer-Fernsehnetze fast 180 Prozent mehr Strom als Glasfasernetze verbrauchen.“ Größter Betreiber dieser Infrastruktur ist Vodafone.
rnd