Mehr Fabel als Märchen

Der Finaleinzug von Paris St. Germain ist keine Geschichte für Romantiker. Sie sagt vieles aus über Erfolg im Fußball. Ein Kommentar von kicker-Redakteur Michael Bächle.
Drei tapfere Kämpfer: Fabian Ruiz, Achraf Hakimi und Joao Neves (v. li.) rutschen gen Finale. IMAGO/Le Pictorium
Es war einmal ein reicher Prinz aus dem Orient, der wünschte sich nichts mehr, als einen sagenumwobenen Silberschatz zu heben. Doch so sehr er sich auch mühte und sich mit teurer Rüstung schmückte, der Schatz blieb ihm versagt.
Der Begriff vom modernen Fußballmärchen mag sowieso schon überstrapaziert sein, im Fall von Paris St. Germain sollte man es dann mit Sicherheit auch spätestens nach zwei Sätzen einfach sein lassen. Ja, die Finalteilnahme in Jahr eins nach Kylian Mbappé mag unerwartet sein in einer Saison, die eigentlich vorab als Übergangsjahr ratifiziert worden war - mit einer Auswahl an Spielern, deren Namen nicht an den Glanz der vergangenen zehn Jahre heranreichen.
Dennoch steht hinter dem PSG-Erfolg ein milliardenschweres Konsortium, das es finanziell nach wie vor mit jedem Verein dieses Planeten aufnehmen kann. Das den Aufstieg zu einer globalen Marke anstrebt und dafür in den vergangenen 14 Jahren im Fußball vorher undenkbare Investitionen bewerkstelligt hat. Das alles ist viel mehr die knallharte Realität als irgendeine Form der Heldensage. Viel mehr "So läuft das jetzt" als "Es war einmal".
Wenn der Erfolg der Franzosen eine Geschichte wäre, dann wäre sie mit Sicherheit kein Märchen, vielleicht eher eine Fabel. Eine - wie Suchmaschine und KI in der knallharten Realität 2025 schnell zu verkünden wissen - "kurze Erzählung, die eine Lehre für den Leser beinhaltet". Und die Lehren aus diesem völlig verdienten Finaleinzug sind unverkennbar.
Paris hat es in dieser Saison nicht ins Champions-League-Finale geschafft, weil es keine großen Namen mehr hat. Gianluigi Donnarumma und Achraf Hakimi, die 2021 gemeinsam mit Lionel Messi, Sergio Ramos und Georginio Wijnaldum als Teil einer damals beispiellosen Transferoffensive kamen, hatten am Mittwochabend schließlich beträchtlichen Anteil am Einzug ins Endspiel. Paris hat es vielmehr ins Finale geschafft, weil es mittlerweile auch eine große Mannschaft hat.
Trainer Luis Enrique hat ein Kollektiv geformt, das - anders als viele PSG-Teams der Vergangenheit - den Namen auch wirklich verdient hat. Eines, das einen klaren Plan im Positionsspiel verfolgt und diszipliniert gegen den Ball agiert. Oder besser: Diszipliniert gegen den Ball agieren kann, weil es niemanden mehr gibt, der qua Status von der Defensivarbeit ausgenommen ist.
Die richtige Wahl auf der Trainerposition ging in der Führungsriege dabei einher mit Verpflichtungen von Spielern, die vielleicht nicht für Rekordumsätze bei den Trikotverkäufen sorgen, aber zum Stil des Trainers passen. Der Coach, der nach seiner Ankunft in Paris ob der knallharten Realität, in der er sich widerfand, schon um Geduld flehte, bevor er überhaupt das erste Mal an der Seitenlinie gestanden hatte, hat das bekommen, was er für seine Art von Fußball brauchte. Einerseits die richtigen Transfers. Vor allem aber - und das ist neu in Paris - Zeit.
Schließlich verlief die erste Saison unter Luis Enrique durchwachsen, teuer verpflichtete Spieler wie Manuel Ugarte oder Randal Kolo Muani floppten, weil sie nicht zur Idee des Trainers passten. Und noch bis Ende Januar stand selbst das Weiterkommen in die K.-o.-Phase der Champions League auf der Kippe. Aktionismus? Diesmal nicht.
Stattdessen Besonnenheit, Disziplin, Lernen aus Fehlern - klingt alles trocken, irgendwie selbstverständlich. Und ist es im modernen Fußball doch nicht immer - siehe Paris St. Germain 2011 bis 2023. Die Fabel von dem Klub, der sich alles kaufen kann und dann merkt, dass es eigentlich um mehr geht, wird keine mehr für Fußballromantiker. Über Erfolg im Fußball lehrt sie aber einiges.
kicker