Forderung nach einer klaren Haltung gegen Unterdrückung

Kann Tim AKINCI
Angesichts der wachsenden Sicherheitsbedenken in Europa, die die Rolle der Türkei als „Sicherheitsmacht“ auf dem Kontinent in den Vordergrund rücken, reisen europäische Staats- und Regierungschefs in einer Reihe von Besuchen nach Ankara. Nach dem britischen Premierminister Keir Starmer traf auch der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz in der Türkei ein, um Präsident Erdoğan zu treffen.
Während die deutsche Presse auf die zunehmenden antidemokratischen Praktiken in der Türkei aufmerksam machte, reagierte auch Merz' Koalitionspartner, die Sozialdemokratische Partei (SPD), auf Merz' Entscheidung, sich während seines Besuchs in Ankara nicht mit der Opposition zu treffen.
SOLLTE EINE KLARHEIT ZEIGENBundeskanzler Friedrich Merz ist zu seinem ersten offiziellen Besuch in der Türkei eingetroffen. Merz trifft sich heute mit Präsident Erdoğan. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen voraussichtlich der Ukraine-Konflikt, in dem die Türkei als Vermittler fungiert, sowie Friedensinitiativen im Gazastreifen. Auch Migration und die militärische Zusammenarbeit beider Länder werden wichtige Themen der Tagesordnung sein.
Die deutsche Partei Bündnis 90/Die Grünen forderte Ministerpräsident Merz auf, im Vorfeld des Besuchs von Präsident Erdoğan klar Stellung zu beziehen. Filiz Polat, Parlamentarische Generalsekretärin der Grünen-Fraktion, erklärte gegenüber BirGün, Merz müsse insbesondere in Fragen der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie klar Stellung beziehen.
„Als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats fordere ich eine klare Positionierung gegen Unterdrückung. Filiz Polat, Mitglied der Grünen, betonte in einer Stellungnahme gegenüber BirGün, dass Ministerpräsident Merz bei seinem Treffen mit Erdoğan in Rechts- und Demokratiefragen klar Stellung beziehen müsse. Ich bin der Ansicht, dass die wiederholten Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Freilassung von Selahattin Demirtaş umgesetzt werden müssen. Trotz ihrer rechtlichen Verpflichtung hat die Türkei diese Entscheidung bisher nicht erfüllt“, sagte sie und kritisierte die Regierung.
Laut Polat sollte auch die Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu dem Premierminister zur Kenntnis gebracht werden. „Die Meinungsfreiheit für Oppositionsabgeordnete ist ein Grundpfeiler der pluralistischen Demokratie“, betonte er.
Polat betonte außerdem, dass die Situation türkischer Flüchtlinge in Deutschland nicht ignoriert werden dürfe. Er forderte Ministerpräsident Merz auf, während seines Besuchs in der Türkei auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft und der Opposition zusammenzutreffen.
Andererseits forderte der außenpolitische Experte der SPD, Ralf Stegner, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (Christlich Demokratische Union - CDU) sich während seines Besuchs in der Türkei öffentlich zu dem neuen Haftbefehl gegen den Bürgermeister der Istanbuler Stadtverwaltung, Ekrem İmamoğlu, äußern solle.
„Der neue Haftbefehl gegen İmamoğlu unterstreicht einmal mehr die angespannte innenpolitische Lage in der Türkei“, sagte Stegner der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Ungeachtet der Bedeutung der bilateralen Themen und gemeinsamen Herausforderungen zwischen Deutschland und der Türkei müssen solch kritische Fragen unbedingt im Gespräch mit Bundeskanzler Erdoğan angesprochen werden“, so Stegner weiter. Auch Adis Ahmetovic, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erklärte gegenüber der dpa: „Die Justiz darf nicht zum Instrument des politischen Kampfes missbraucht werden.“
Sinem Adar, Türkei-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), prognostizierte, dass Sicherheitsfragen den Besuch von Ministerpräsident Merz dominieren würden. „Sicherheit wird für beide Seiten das wichtigste Thema des Besuchs sein“, sagte Adar gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Sie merkte an, dass die Türkei im aktuellen Wettrüsten großes Potenzial für die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern sehe und dem EU-Programm SAFE beitreten wolle, das gemeinsame Rüstungskäufe im Wert von bis zu 150 Milliarden Euro umfasst. Dieser Schritt werde jedoch derzeit von Griechenland blockiert.
Es ist jedoch unklar, welche Priorität die sich verschlechternde Menschenrechtslage in der Türkei in den Gesprächen haben wird. Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) betonte bei seinem Besuch Mitte Oktober die Bedeutung der Türkei als NATO-Mitglied. Laut dem öffentlich-rechtlichen Sender ARD sagte Wadephul, Deutschland wünsche sich Fortschritte in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei. „Wir wollen, dass die Zollunion modernisiert und die Visaliberalisierung umgesetzt wird“, sagte er. „Wir streben eine insgesamt positive Agenda an.“
BirGün




