Tour de France: Der Australier O'Connor gewinnt die Alpenetappe, doch Pogacar bleibt der Stärkste.

Ein scharfer Zwischenspurt, ein kurzer Tritt aufs Gaspedal, als alle Beine schon heiß waren, und der Slowene ließ Vingegaard, der bis dahin sein Schatten gewesen war, hinter sich. Ein schöner Sprint, der es ihm dank des Zeitbonus ermöglichte, seinen Vorsprung auf seinen Rivalen um weitere 11 Sekunden zu vergrößern, sodass er nun 4 Minuten und 26 Sekunden zurückliegt. Ein beachtlicher Abstand, der aber auch eine weitere psychologische Belastung mit sich bringt: Das Gelbe Trikot erwies sich als nahezu uneinholbar.
Vingegaard gab sein Bestes und stellte Visma auf die Probe, doch der Däne konnte nie etwas bewirken. Die Spitzenfahrer, die gelegentlich einige Fahrer einbüßten, darunter auch Onley selbst, der schließlich Vierter wurde und Lipowitz' Kopf in den Staub schob, setzten ihre Fahrt fort, ohne dass die beiden Rivalen auch nur den Hauch einer Herausforderung wagten. Ein langsames Tempo, das am Ende nur Pogacar begünstigte, der von seinen Knappen gut geschützt wurde. Derjenige, der hätte kämpfen sollen, war der gute alte Vingo, der so viel aufzuholen hatte. Doch er konnte seine Trümpfe nicht ausspielen, aus einem einfachen Grund: Er hatte sie nicht und er hat sie nicht.
Die besten Karten, wie sich vor allem in den Pyrenäen zeigt, hat weiterhin der Slowene in der Hand, der sich nun über sein 51. Gelbes Trikot freut, wohl wissend, dass Paris immer näher rückt. Nun bleibt tatsächlich nur noch eine Alpenetappe, von Albertville nach La Plagne, um etwas zu ändern. Doch was kann Vingegaard gegen Tadejs Übermacht ausrichten? Die Etappe von La Plagne ist in der Tat eine blasse Kopie, 40 Kilometer kürzer als die gerade absolvierte.
Im Radsport bringt es Unglück, zu viele Vorhersagen zu machen, doch eine dramatische Wende zeichnet sich nicht ab. Am Col de la Loze, um das Duell noch spannender zu machen, wurden die Geister der Niederlage, die der Slowene vor drei Jahren gegen den Dänen erlitten hatte, begraben. Eine bittere Niederlage allerdings, die Pogacar bereits in Hautacam wiedergutgemacht hatte. Diesmal blieb es bei der dramatischen Wende: Um kein Risiko einzugehen, zog Pogacar es vor, seine Serienkillerinstinkte zu zügeln und sich damit zu begnügen, das Rennen zu kontrollieren und sich noch ein paar Sekunden Vorsprung zu sichern.
Kurz gesagt: Lieber Jonas, wenn du nicht ruhig auf deinem Platz bleibst, werde ich dich wieder angreifen. Also, lass uns Schluss machen. Paris steht vor der Tür. Ich fahre meine vierte Tour, und du kannst dich mit einem ehrenvollen zweiten Platz zufrieden geben. Was bei der Tour gar nicht so schlecht ist.
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