Warum die eigenen vier Wände die bessere Aktie sind


Natürlich kann man mit Aktien ein Vermögen aufbauen. Wer Anfang der 1980er Jahre in Nestlé, Novartis oder UBS investierte, erfreut sich eines grossen Zuwachses im Depot. Aber wer vor zwanzig Jahren ein Haus in Carouge im Kanton Genf kaufte, erzielt gar noch mehr Wertzuwachs – und wohnt erst noch darin. In der Schweiz sind die eigenen vier Wände längst zur Volksaktie geworden. Nur halt nicht an der Börse notiert, sondern mit Gartenzaun, Nebenkosten und gelegentlichem Ärger mit Nachbarn und dem Steueramt.
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
Gemäss einer vielzitierten Raiffeisen-Studie bringt Wohneigentum seit 1988 eine Rendite von 7,2 Prozent pro Jahr. Schweizer Aktien? 8,1 Prozent – also nur leicht mehr, aber deutlich nervenaufreibender. «Der längerfristige Besitz einer Immobilie zwingt einen zum optimalen Anlegerverhalten», sagt Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz. Kein hektisches Rein und Raus wie bei Aktien. Keine Fehler beim Timing. Sondern ganz einfach: investieren, einziehen und schön wohnen. Selbst wenn’s draussen regnet – und erst recht, wenn es die Aktienbörsen wieder einmal durchschüttelt.
Natürlich ist das nicht die ganze Wahrheit. Immobilien sind eine sperrige Anlage und oft mit Aufwand verbunden. Sie sind kein liquider börsengehandelter Indexfonds (ETF), den man mit einem Klick verkauft. Was man oft vergisst: Immobilien kosten Unterhalt und verursachen Nebenkosten.
Neue Heizungen, Dachreparaturen oder gar Totalsanierungen können Hunderttausende Franken verschlingen. Wer schon einmal mit seiner Stockwerkeigentümergemeinschaft über eine Totalsanierung diskutiert hat, weiss: Das braucht Nerven aus Stahl. Werden Investitionen in das Gebäude versäumt, verliert es an Wert. Nur der Bodenpreis steigt ohne Zutun des Besitzers.
Die gute Nachricht ist: Wohneigentum diszipliniert. Es zwingt zur finanziellen Planung, zum Durchhalten. So baut man Kapital auf. An guten Lagen sogar sehr viel Kapital. Das Rechenbeispiel aus Carouge zeigt es: Wer im Jahr 2000 ein Haus für 645 000 Franken kaufte (mit 20 Prozent Eigenkapital), hat heute einen Buchgewinn von rund 2 Millionen Franken. Dies entspricht auf dem eingesetzten Eigenkapital einem Wertzuwachs von 1475 Prozent – das schlägt jede Aktie.
Doch: Nicht jeder Ort ist Carouge. Auf dem Land kann es auch einmal abwärtsgehen, etwa wenn der letzte Industriebetrieb schliesst oder der S-Bahn-Anschluss gestrichen wird. Und wer auf Geschäfts- oder Ferienimmobilien setzt, muss mit Strukturwandel, Leerständen und wählerischen Gästen leben. Auch da kann ein vermeintlicher Schatz schnell zur finanziellen Hypothek werden.
Trotzdem: Wer sich Wohneigentum leisten kann – und das ist ein grosses «wenn» bei den heutigen hohen Preisen –, der fährt in der Regel gut damit. Nicht zwingend besser als mit Aktien. Aber langfristig stabil.
Am Ende bleibt Wohneigentum nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine emotionale Entscheidung. Und es ist eine gute Versicherung, wenn die Mieten auf dem Wohnungsmarkt wieder einmal in die Höhe klettern. Vielleicht ist genau das der Grund, warum es für viele Schweizerinnen und Schweizer die «bessere Aktie» bleibt.
nzz.ch