Unruhe am Immobilienmarkt: Anleger gehen juristisch gegen die Verschmelzung der UBS- und der CS-Fonds vor


Michael Derrer Fuchs / Getty
Was wie ein nüchterner Verwaltungsakt begann, entwickelt sich zu einem Machtkampf im sonst so berechenbaren Schweizer Markt für Anlagefonds. Es geht um Immobilienfonds. Sie investieren in Wohngebäude und Gewerbeimmobilien in der ganzen Schweiz. Stabile Anlagevehikel mit soliden Erträgen und wenig Drama.
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Und doch sorgt genau diese unspektakuläre Anlageklasse derzeit für Unruhe. Das zeigen Recherchen der «NZZ am Sonntag». Im Zentrum steht die Grossbank UBS, die mit der Übernahme der Credit Suisse auch deren Immobilienfonds geerbt hat.
Die UBS will die CS-Fonds mit ihren eigenen Fonds verschmelzen. Ein komplexes Unterfangen, bei dem Heerscharen von Anwälten und Experten mitwirken. Am Ende entsteht ein neuer Gigant der Schweizer Immobilienbranche: Die UBS wird in Zukunft Immobilieninvestments im Wert von 62 Milliarden Franken und einem Bestand von 72 000 Wohnungen verwalten.
Die Freude am Immobilienmarkt über das Vorhaben am Paradeplatz hält sich in Grenzen. Die Branchenplattform Immoday warnt vor der «ultradominanten Stellung der UBS». Auch unter Anteilsinhabern der UBS-Immobilienfonds regt sich Widerstand: Sie befürchten, dass ihre Vermögenswerte durch problembehaftete CS-Fonds kontaminiert werden.
Nach der Ankündigung der Verschmelzung haben sich Anleger entschieden, juristisch gegen die Zusammenführung vorzugehen. Ein einmaliger Vorgang in der sonst behäbigen Welt der Schweizer Immobilienfonds.
Die Grossfusion und ihre SprengkraftDas Projekt lief für die UBS schon früh aus dem Ruder: Im November 2024 präsentierte die Bank ihre Pläne. Bis 2027 wollte die Bank acht der vierzehn börsenkotierten Immobilienfonds des Hauses miteinander verschmelzen. Das Ziel: Grössenvorteile realisieren, Kosten senken, die Resilienz der Vehikel erhöhen. Wer kann da schon dagegen sein?
Doch bereits beim ersten geplanten Schritt musste die UBS zurückrudern. Der Fonds UBS Direct Residential, ein Produkt mit Fokus auf klassische Wohnimmobilien in den Ballungsräumen Zürich, Basel und Bern, sollte ursprünglich Teil der Fusion sein – dann jedoch nahm die UBS den Fonds überraschend von der Zusammenlegung aus.
Offenbar hatten gewichtige Anleger hinter den Kulissen Druck gemacht und das Management davon überzeugt, diesen Fonds eigenständig zu belassen. Kaum war der Fall geklärt, erreichte der Börsenkurs dieses beliebten Fonds ein Allzeithoch (siehe Grafik unten).
Der nächste Schlag für die Bank folgte per Ende Juni 2025: Die UBS wollte drei Fonds mit Fokus auf sehr unterschiedliche Wohnformen – UBS Living Plus, UBS Hospitality und UBS Residentia – zusammenführen. Was die UBS als Stärkung der «Diversifikation und Resilienz» der Fonds verkaufte, führte zur Eskalation.
Fusionen von Immobilienfonds sind selten – und Einsprachen dagegen sind erst recht beispiellos. Die meisten Fachleute hören zum ersten Mal, dass Anleger bei der Finma formell Einspruch erheben. Die Fusion der drei Fonds ist seither blockiert.
Zwar betont die UBS, die einsprechenden Anleger repräsentierten lediglich 0,1 Prozent des investierten Kapitals. Doch der Reputationsschaden ist beträchtlich. Branchenkenner rechnen mit einer Verzögerung von mindestens drei bis sechs Monaten. Und schlimmer noch: Die betroffenen Fonds gelten als «lame ducks», als lahme Enten. Solange die regulatorische Klärung aussteht, werden die Fondsmanager keine Zukäufe und Verkäufe tätigen.
Der grosse Zusammenschluss, zunächst als Effizienzprojekt gestartet, ist zur Zitterpartie geworden. Und viele Anleger sind verärgert. Einer von ihnen ist Reto M. (Name der Redaktion bekannt).
Privatanleger fühlen sich übergangenReto M. ist Rentner – und ein Veteran der Vermögensverwaltung. Jahrzehntelang managte er als Angestellter einer anderen grossen Bank Fonds für institutionelle Kunden, heute verwaltet er sein eigenes Alterskapital. Er ärgert sich über das Vorgehen der UBS: Er habe in einen soliden Immobilienfonds mit Wohnliegenschaften investiert – und nun werde dieser mit zwei schlechteren Produkten zwangsvereint. Der «NZZ am Sonntag» liegen die Details zu seinem Fall vor.
Reto M. stört sich besonders daran, dass Fonds mit völlig unterschiedlicher Ausrichtung – etwa auf Hotels, Bildungseinrichtungen oder Altersresidenzen – mit konservativen Wohnfonds zusammengeführt werden sollen. Das stehe im Widerspruch zu gesetzlichen Vorgaben für solche Fusionen – nach dem Gesetz dürfen nur Fonds zusammengelegt werden, die dieselbe Anlagestrategie verfolgen.
Besonders bitter für Reto M. war die Reaktion der Börse auf die Fusionsankündigung. Sein Fonds, der bislang als attraktives Investment galt, geriet plötzlich unter Druck. Gleichzeitig schossen die Kurse der problembehafteten Fonds, die in die Fusion eingebunden werden sollen, regelrecht in die Höhe. Der Grund: Die Kurse der zu fusionierenden Fonds müssen sich offenbar angleichen.
Der Anlageexperte wandte sich mit seinen Einwänden an die Finma. Dort wurde ihm beschieden, man werde die Rechtmässigkeit des Vorgehens der UBS sicherstellen – mehr nicht. Um sich weiteren Ärger und Kosten zu ersparen, verzichtete er selbst auf eine rechtliche Auseinandersetzung.
Altlasten statt QualitätDer Zürcher Immobilienökonom Andreas Loepfe hält die Einwände der Fondsinhaber gegenüber der Zusammenführung für verständlich: «Rund die Hälfte der übernommenen CS-Fonds hatte über Jahre hinweg eine unterdurchschnittliche Performance.» Die untergegangene Bank sei zwar mit viel Kreativität und Power in der Vermarktung aufgefallen, doch an der Börse hätten die Produkte enttäuscht.
Die Liste der Problem-Fonds ist lang – und die Fonds stammen grösstenteils aus dem Haus der CS. Besonders problematisch war ein CS-Fonds mit Fokus auf internationale Büro- und Gewerbeimmobilien. Die Performance blieb über Jahre enttäuschend. Kaum hatte die UBS das Ruder übernommen, zog sie die Reissleine: Der Fonds wurde liquidiert. Bis die Immobilien verkauft und die Anleger ausbezahlt werden können, dürfte es allerdings Jahre dauern.
Ein weiteres Beispiel: das ehemalige Swissôtel in Zürich Oerlikon, dessen Gebäude schon lange dem Fonds CS Hospitality gehört. Nach dem Konkurs des Hotels 2020 blieb der Fonds auf einer brachliegenden Immobilie ohne Zukunft sitzen. Derzeit lässt der Fonds das Hotel für 120 Millionen Franken umbauen. Nun entsteht daraus das Wohnkonzept «Oerlikon One» mit Mini-Lofts und teuren Kleinwohnungen. Ein kostspieliges Umbauprojekt mit ungewissem Ausgang.
Dominanz auf dem IndexEin anderer wichtiger Punkt, an dem sich Anleger stören, ist die schiere Grösse der UBS im Geschäft für Immobilienfonds. Laut Roland Vögele, CEO der Beratungsfirma MV Invest, wird es immer schwieriger für Investoren, ihr Vermögen über mehrere Fondsbetreiber zu streuen. Wer heute passiv und indexorientiert in Schweizer Immobilienfonds investiere, komme kaum noch an der UBS vorbei, sagt Vögele. So bestehe der SXI Real Estate Broad Index zu 50 Prozent aus UBS-Fonds. Die Bank habe auch im Bereich Research und Analysen «eine zu grosse, dominierende Stellung».
Angesprochen auf die Kritik aus Anleger- und Expertenkreisen, will die UBS nicht auf einzelne Fragen eingehen – und wiederholt fast wörtlich einen Satz aus einer früheren Medienmitteilung: «Wir sind überzeugt, dass die Zusammenführung von Fonds mit ähnlichen Anlagestrategien die Diversifikation und Resilienz der jeweiligen Fonds mit Fokus auf langfristige Investorenbedürfnisse stärken wird.» Weiter hält die Bank fest, dass den Anlegern aus den geplanten Fusionen keine Kosten entstünden. Mehr will die Bank dazu nicht sagen.
Obwohl die dünne Informationslage noch mehr Unsicherheit schafft, verweigert auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) Auskünfte: «Wir äussern uns grundsätzlich nicht zu Details unserer Aufsichtstätigkeit und zu Einzelfällen», sagt eine Finma-Sprecherin.
nzz.ch