Nein, die hohen Investitionen in KI-Infrastruktur werden sich nicht rechnen


Hugo Kurk / Zoonar / Imago
Die grossen Techunternehmen haben diese Woche solide Quartalszahlen mit Umsatzsteigerungen im zweistelligen Bereich vorgelegt. Trotzdem wurden ihre Aktien in die Tiefe gezogen. Wieso? In den letzten Tagen haben sehr schwache Konjunkturzahlen erstmals gezeigt, wie stark Donald Trumps absurder Handelskrieg die amerikanische Wirtschaft belastet.
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
Trotz den Kurseinbussen zum Ende dieser Woche bleibt die Marktkapitalisierung von Big Tech beeindruckend, besonders jener Firmen, die mit KI in Verbindung gebracht werden. Alphabet hat einen Börsenwert von 2,29 Billionen Dollar, Meta bringt 1,89 Billionen auf die Waage, Microsoft 3,9 und Nvidia sogar 4,24.
Fast noch gewichtiger sind jedoch die Investitionen, welche Big Tech im Bereich KI plant – meist in Gestalt von neuen Datencentern. Analysten der Bank Morgan Stanley zum Beispiel erwarten Ausgaben von 2,9 Billionen Dollar bis 2028.
Gemäss der «Financial Times» wollen allein Alphabet, Amazon, Microsoft und Meta dieses Jahr 350 Milliarden Dollar in neue Datencenter und andere KI-Infrastruktur stecken. Und 2026 dann noch einmal 400 Milliarden Dollar.
Kann sich das rechnen? Ich habe grösste Zweifel: Die Schere zwischen den Cashflows von Big Tech und ihren Investitionen in neue KI-Infrastruktur klafft weit auseinander. Dazu kommt, dass der Bau eines KI-fähigen Datencenters keine einmalige Ausgabe darstellt. Er zieht Folgekosten nach sich. Nur schon die Stromrechnung hat es in sich.
Natürlich ist KI eine – wenn nicht die – Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Doch wie viele Firmen und Privatpersonen können KI bereits derart gewinnbringend einsetzen, dass sie bereit sind, Microsoft und Co. Milliarden an Nutzungsgebühren für deren Dienste zu bezahlen?
Wenn man einmal vom Gebiet der reinen Mathematik absieht, über das KI die Lufthoheit erlangt hat: Bei anderen Anwendungen gibt es noch erhebliche Probleme. So finden Programmierer in Software, die von KI erstellt wurde, zum Teil gravierende Fehler. KI-Agenten, die autonom komplexe Aufgaben erledigen sollten, sind streckenweise komplett unberechenbar.
Es würde mich nicht wundern, wenn sich das Muster wiederholen würde, das wir schon bei früheren Technologiesprüngen gesehen haben: Ja, KI wird unser Leben auf den Kopf stellen. Aber wahrscheinlich nicht schon morgen, wie viele glauben, sondern vielleicht erst in zehn oder fünfzehn Jahren.
Ich finde, das ist früh genug. Doch für eine Firma, die heute Hunderte von Milliarden in KI-Infrastruktur investiert, für die ihre Kunden noch nicht zu zahlen bereit sind, käme ein Durchbruch in zehn Jahren viel zu spät. Sie muss ihre Investitionen schon vorher abschreiben.
Genau das erwarte ich auch bei Alphabet, Microsoft und Co. Diese Abschreiber werden diesen Firmen, die in ihrem Kerngeschäft sehr viel Geld verdienen, bestimmt nicht das Genick brechen. Aber eine Marktkapitalisierung von mehreren Billionen Dollar ist dann vielleicht nicht mehr gerechtfertigt.
Ich würde aus diesem Grund nur noch mit gleich gewichteten ETF in den amerikanischen Aktienmarkt investieren. Bei solchen Produkten zählt jeder Titel unabhängig von seiner Marktkapitalisierung gleich viel.
Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»
nzz.ch