KOMMENTAR - Der Abgang von Michael Waltz schwächt die sicherheitspolitische Kompetenz der US-Regierung


Bloss 101 Tage war Michael Waltz Trumps Sicherheitsberater. Das Amt gilt in Washington als Schleudersitz: Trump entliess während seiner ersten Amtszeit drei qualifizierte Persönlichkeiten, wie John Bolton oder H. R. McMaster. Die Wegbeförderung von Waltz zum Uno-Botschafter verdeutlicht, wie schwer es Sicherheitsexperten im aktivistischen Machtzentrum von Trump haben. Und das wiederum fördert das Vertrauen in die Sicherheitspolitik der USA nicht.
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Dabei hat Waltz alles Mögliche getan, um Trump zu gefallen. Er trug oft einen blauen Anzug mit roter Krawatte wie sein Boss, wie es im Moment en vogue ist. An den Kabinettssitzungen pries er die Führungsstärke des Präsidenten. Und er verteidigte alle aussenpolitischen Kapriolen seines Bosses in den Medien mit der geforderten Verve: ob es die Umbenennung des Golfs von Mexiko war oder die Riviera-Idee für den Gazastreifen.
«Signal-Gate» als VorspielAlles schien gut zu laufen. Dann kam «Signal-Gate». Waltz lud irrtümlicherweise den Chefredaktor des Trump-kritischen Magazins «The Atlantic» in eine Chat-Gruppe auf dem Nachrichtendienst Signal ein. Auf diesem unsicheren Kanal gab der Verteidigungsminister Pete Hegseth im März heikle Informationen zum Angriff auf die jemenitischen Huthi preis. Der Skandal war perfekt – und hochnotpeinlich. Waltz übernahm die Verantwortung – und galt danach im Weissen Haus als «Dummkopf», ausgerechnet er, der als einer der wenigen in der Regierung über eine lange Erfahrung und fundiertes Sachwissen verfügt. Die Entsendung als Uno-Botschafter entfernt Waltz aus dem Zentrum an die Peripherie der Macht, zu einer Organisation, von der Trump wenig hält.
Die Signal-Affäre schadete Waltz – einen Grund für den Abgang war sie nicht, war sie doch bereits aus den Schlagzeilen geraten. Die Entfremdung begann, kurz nachdem die rechte Influencerin Laura Loomer Trump im Weissen Haus besucht hatte. Die Verschwörungstheoretikerin, die während des Wahlkampfs auffallend häufig an der Seite von Donald Trump zu sehen gewesen war, präsentierte bei ihrem Besuch im Oval Office eine Liste von Personen, die sie für unloyal hielt. Unmittelbar danach entliess der Präsident mehrere Mitarbeiter des NSC sowie des Geheimdienstes NSA.
Trump stritt zwar einen direkten Zusammenhang ab, doch laut Medienberichten liess er das Material von Loomer prüfen, die Trump-kritische Social-Media-Posts und frühere Verbindungen zu republikanischen Opponenten wie John McCain und Mitch McConnell aufgespürt hatte. Loomers Liste soll auch Waltz’ Stellvertreter Alex Wong genannt haben.
Machtballung nach Loomer-TestMit Waltz und Wong verlassen erfahrene Sicherheitsexperten das Weisse Haus. Waltz diente als Special-Operation-Offizier unter anderem in Afghanistan und im Sicherheitsrat von Präsident George W. Bush. Danach gründete er die Sicherheitsfirma Metis Solutions, bevor er als Abgeordneter ins Repräsentantenhaus gewählt wurde. Der 35-jährige Harvard-Jurist und China-Falke Alex Wong gilt bei den Republikanern als Shootingstar. Doch genau diese Nähe zum sicherheitspolitischen Establishment der Republikaner scheint in der Trump-Regierung eine Hypothek darzustellen.
Ad interim hat Trump seinen Aussenminister Marco Rubio zum Sicherheitsberater ernannt. Es ist das erste Mal seit der Kissinger-Ära, dass es eine solche Personalunion gibt. Ob er den Sicherheitsrat permanent führen wird oder Trump die Position neu mit einem Getreueren besetzt, der Sicherheitsrat wird vermutlich an Relevanz verlieren. In der Regierung ballt sich die Macht immer mehr im engsten Kreis um den Präsidenten.
Auch die Rechtsabteilung spielt im Weissen Haus eine untergeordnete Rolle, wie kürzlich der Rechtsberater von George W. Bush, Jack Goldsmith, im Gespräch mit dem konservativen Journalisten Ross Douthat sagte: «Die Grundregel scheint zu sein, dass das, was der Präsident tun will, rechtmässig ist.» In einer solchen Regierung braucht es auch keinen vollamtlichen Sicherheitsberater mehr.
nzz.ch