Geldpolitik: Schweizer Notenbank drückt Leitzins auf null Prozent – das ist der Grund

Während in der Eurozone die Leitzinsen bei zwei Prozent liegen, hat die Schweizerische Nationalbank ihre Zinsen zum sechsten Mal in Folge gesenkt – auf null Prozent. Was ist los im Nachbarland?
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) reagiert auf die sinkende Inflation mit der sechsten Zinssenkung in Folge. Der SNB-Leitzins werde um 0,25 Prozentpunkte auf 0,00 Prozent gesenkt, teilte die Notenbank am Donnerstag mit. Obwohl die Geldpolitik in keinem anderen größeren Wirtschaftsraum so locker ist wie in der Schweiz, schloss SNB-Präsident Martin Schlegel nicht aus, den Leitzins in Zukunft ins Minus zu drücken. „Aber die Hürde, Negativzinsen einzuführen, ist deutlich höher, als wenn wir die Zinsen im positiven Bereich senken würden.“ Negativzinsen hätten unerwünschte Nebenwirkungen und stellen für viele Akteure der Wirtschaft eine Herausforderung dar.
Im Mai gingen die Verbraucherpreise in der Schweiz gegenüber dem Vorjahresmonat um 0,1 Prozent zurück. Der Rückgang war hauptsächlich auf die Preisentwicklung im Tourismus und bei den Erdölprodukten zurückzuführen. Damit rutschte die Inflation erstmals seit März 2021 wieder in den negativen Bereich. Die SNB strebt für Preisstabilität eine Inflation zwischen null und zwei Prozent an. Die SNB senkte ihre Inflationsprognose in der kurzen Frist im Vergleich zur letzten Beurteilung im März. Im Jahresdurchschnitt veranschlagt sie für 2025 nun eine Teuerung von 0,2 Prozent. 2026 sollen es dann 0,5 Prozent und 2027 und 0,7 Prozent werden.
Leitzinsen: „Schwierigstes Szenario“Mit der erneuten Lockerung der Geldpolitik steht die SNB nun kurz davor, zu Negativzinsen zurückzukehren. Von 2014 bis 2022 hatte die Notenbank die Leitzinsen bereits unter Null gedrückt, mit der Maßnahme aber auch Kritik geerntet. Der Schweizer Bankenverband erklärte am Donnerstag, angesichts des eingetrübten Ausblicks für die Weltwirtschaft und der gedämpften Inflationserwartungen sei die Zinssenkung der SNB nachvollziehbar. „Gleichzeitig ist klar: Ein Nullzinsumfeld entwertet den Anreiz zum verantwortungsvollen Sparen und setzt die Altersvorsorge weiter unter Druck.“ Wie bereits in früheren Tiefzinsphasen trügen die Banken und ihre Kunden erneut einen wesentlichen Teil der geldpolitischen Last.

„Für die Erträge von Banken ist ein Zinsniveau von null das schwierigste Szenario“, erklärte Martin Bardenhewer, Finanzchef der Zürcher Kantonalbank. Denn bei Nullzinsen führten Banken für die meisten Kunden keine Negativzinsen ein. Dies sei eine psychologische Hürde. Wenn das Zinsniveau auf null liege und die Kundenkondition ebenfalls, dann hätten Banken keine Marge mehr. „Es ist klar, dass dies auf Dauer voll auf die Profitabilität durchschlägt.“
Folgen für ImmobilienmarktSchlegel erklärte, die SNB werde Negativzinsen nicht leichtfertig einführen. Eine mögliche Nebenwirkung sei, dass sie je nach Geschäftsmodell auf den Gewinnen der Banken lasten könnten. Betroffen seien vor allem Institute, die vor allem von Krediten lebten und diese mit Sparkonten finanzierten. „Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, die Profitabilität der Banken ist nicht in der Zielfunktion der Nationalbank. Die Profitabilität der Banken ist aber wichtig, eben weil sie die erste Verteidigungslinie ist für die Banken in Stressszenarien.“
Im Immobilienmarkt könnten Zinssenkungen die Preise weiter befeuern. Dies sei eine der unerwünschten Nebenwirkungen. In ihrem ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten Finanzstabilitätsbericht wies die SNB darauf hin, dass tiefe Zinsen zu einer verstärkten Risikobereitschaft beitragen könnten. Damit steige die Verwundbarkeit vieler Banken, wenn es zu einem kräftigen Zinsanstieg verbunden mit Preiskorrekturen am Schweizer Immobilienmarkt komme.

Trotzdem rechnen die Anleger damit, dass die SNB den Leitzins in den kommenden Monaten weiter senken dürfte. Darauf deuteten die Notierungen der zinssensiblen zweijährigen Schweizer Staatsanleihen hin, die im negativen Bereich verharrten. Das SNB-Direktorium entscheidet in der Regel viermal jährlich gegen Ende des Quartals über die Zinsen: Die nächste geldpolitische Lagebeurteilung ist für den 25. September anberaumt.
„Deflationssorgen plagen die Schweizer Währungshüter“, erklärte Brian Mandt, Volkswirt der Luzerner Kantonalbank. Die von einigen Marktteilnehmern erwartete Senkung auf minus 0,25 Prozent sei indes ausgeblieben. „Somit haben die Notenbanker ihre geldpolitische Munition nicht komplett verschossen.“ Diese benötigten sie vielleicht noch, denn die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft und die Inflation seien höher als üblich. „Das Risiko ist also hoch, dass die Notenbanker den Leitzins künftig noch in negatives Terrain treiben werden.“
rtr/dh
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