Einstieg für höheres Rentenalter? Regierung will heute Aktivrente beschließen


Die Aktivrente soll es attraktiver machen, länger zu arbeiten. An diesem Mittwoch entscheidet das Kabinett darüber. Was sie bringt und was sie kostet.
Nun sollen die Älteren helfen: Mehr Rentnerinnen und Rentner als bisher sollen etwa an der Supermarktkasse sitzen oder ihrer Tätigkeit im Büro nachgehen, wenn es nach der Bundesregierung geht. Am Mittwoch soll das Kabinett die so genannte Aktivrente auf den Weg bringen. Damit will Schwarz-Rot Arbeit im Alter attraktiver machen, die Wirtschaft ankurbeln und die Rentenproblematik zumindest zum Teil lösen. Doch kann das gelingen? Ein Überblick.
Formal gesagt: ein Steuerfreibetrag von 2000 Euro monatlich für alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Rentenalter. Dieser Freibetrag von 24.000 Euro im Jahr gilt also für Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit für Menschen, die gleichzeitig Rente bekommen. Wer also beispielsweise monatlich 3000 Euro brutto aus seiner Beschäftigung verdient, müsste davon künftig nur 1000 Euro versteuern - den Rest nicht.
Im Grunde ja. Trotzdem gilt bei der Aktivrente nicht brutto gleich netto, denn es fallen weiterhin Abgaben für die Sozialversicherung an. Die Aktivrente soll allerdings vom sogenannten Progressionsvorbehalt ausgenommen werden. Dieser hätte dazu geführt, dass der steuerfreie Zusatzverdienst die Steuerlast erhöht, weil der Steuersatz wegen des höheren Gesamteinkommens steigt. Die Rentenzahlung als solche wird nämlich oberhalb eines Grundfreibetrags ohnehin schon versteuert.
Nein. Die Aktivrente ist freiwillig.
Ganz kurzfristig soll sie diejenigen Rentnerinnen und Rentner steuerlich begünstigen, die auf Nebeneinkünfte angewiesen sind und ohnehin schon nebenher arbeiten. Je nach Erfolg der Aktivrente könnte auch die Diskussion über ein unter anderem von Teilen der Union befürwortete Anhebung des Renteneintrittsalters belebt werden. Dieses wird derzeit schrittweise auf 67 Jahre angehoben.
Ebenso große Hoffnungen verbindet die Koalition mit dem Effekt auf den Arbeitsmarkt: In vielen Branchen herrscht seit Jahren schon Fachkräftemangel, etwa in Pflege, Bildung, Handwerk, Gastronomie und anderen Dienstleistung-Berufen. Hier soll die Aktivrente ein Anreiz sein, länger als bis zum Renteneintrittsalter in der bisherigen Stelle zu verbleiben, oder dort einen neuen Job anzunehmen.
Das ist umstritten. Gegner der Aktivrente betonen, dass besonders in den Branchen mit Arbeitskräftemangel körperliche oder mentale Belastungen so hoch sind, dass nur wenige Menschen länger als bis zum Renteneintritt arbeiten können oder wollen. Zudem ist auch unklar, wie viele Arbeitgeber tatsächlich gezielt Menschen im Rentenalter beschäftigen und damit mehr Krankheitstage in Kauf nehmen wollen.
Kritiker beklagen auch, dass Angestellte bevorteilt und Selbstständige benachteiligt werden. Zum Beispiel soloselbstständige Handwerker haben nichts von der Aktivrente. Dabei ist in diesem Bereich der Fachkräftemangel enorm. Auch Landwirte gehen leer aus - viele arbeiten hier ohnehin schon länger als bis zum Renteneintrittsalter. Bei Selbstständigen ist zudem - je nachdem, wie sie vorgesorgt haben - die Rente niedriger und damit der Bedarf an Nebeneinkünften höher als bei Angestellten. Auch Beamte sind von der Aktivrente ausgeschlossen.
Dazu gibt es unterschiedliche Schätzungen. Das arbeitnehmernahe Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ging zuletzt von rund 230.000 Menschen aus. Das Bundesfinanzministerium schätzt die Zahl etwas geringer ein und rechnet mit rund 168.000 Menschen - einem Viertel der Anspruchsberechtigten.
Das Finanzministerium rechnet mit rund 890 Millionen Euro jährlich. Davon entfallen jeweils rund 42,5 Prozent auf den Bund und die Länder und die restlichen 15 Prozent auf die Kommunen. Die Bundesregierung verbindet damit allerdings die Hoffnung, durch einen positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum auch wieder mehr Steuergelder einnehmen zu können.
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