Dieser Erdwall deutet darauf hin, dass im Sudan-Krieg ein weiterer Massenmord bevorsteht

Al-Fasher ist die wohl am heftigsten umkämpfte Stadt im Sudan-Krieg. Seit siebzehn Monaten wird sie von der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF) belagert, die gegen die nationale Armee kämpft. Al-Fasher ist die letzte grössere Stadt in der Region Darfur, die von der Regierungsarmee und von mit ihr verbündeten Milizen gehalten wird. Die Stadt ist zudem der letzte verbliebene Rückzugsort einiger von der RSF verfolgter Ethnien wie derjenigen der Masalit.
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Sudan 🇸🇩 MAP UPDATE: the situation in Sudan as of 01/09/2025. This past month the RSF tried to advance on a number of fronts with mixed results.-In Kordofan a failed RSF push west of el-Obeid resulted in hundreds of deaths and dozens of vehicles lost, forcing the militants to… pic.twitter.com/5q8OxCMTgU
— Thomas van Linge (@ThomasVLinge) September 1, 2025
Die humanitäre Situation in al-Fasher ist verheerend. Experten für Ernährungssicherheit haben bereits im Juli 2024 eine Hungersnot festgestellt. Eine Hungersnot ist die schlimmste von fünf Stufen der Klassifikation, mit der internationale Experten Level von Hunger analysieren. Bereits im Juni 2024 hatte der Uno-Sicherheitsrat eine Resolution beschlossen, in der ein Ende der Belagerung gefordert und auf die «katastrophale» humanitäre Lage hingewiesen wurde.
Geändert hat das nichts: Über ein Jahr ist vergangen, und die Belagerung geht weiter. In diesem Jahr ist noch kein Hilfskonvoi in die Stadt gelangt. Die Menschen, so berichten lokale Journalisten, ässen Tierfutter oder sogar Müll. Viele sterben an Hunger.
Wissenschafter des Humanitarian Research Labs (HRL) der Yale-Universität verfolgen die Entwicklungen in al-Fasher seit Kriegsbeginn. Sie haben eine neue, beunruhigende Beobachtung gemacht: Die RSF bauen seit Mai im von ihnen kontrollierten Gebiet einen Erdwall rund um die belagerte Stadt.
38 Kilometer sind bereits entstanden, sieben davon allein in den vergangenen zwei Wochen. Satellitenbilder des amerikanischen Unternehmens Maxar zeigen den Erdwall und den Fortschritt der Arbeiten. Sogar die Bagger sind auf den Aufnahmen zu erkennen. Im Westen von al-Fasher verläuft der Wall mitten durch das Dorf Alsen.
Gegenwärtig gibt es nur noch zwei Lücken, die nicht vom Erdwall umschlossen sind. Und die RSF scheinen diese rasch schliessen zu wollen, darauf deuten die intensiven Arbeiten in den vergangenen Wochen hin. Die RSF würden damit eine «regelrechte Todeszone um al-Fasher herum» schaffen, schreiben die Yale-Forschenden in einem ihrer Berichte.
«Die Absicht der RSF ist klar», sagt der HRL-Leiter Nathaniel Raymond der NZZ. «Sie wollen Menschen in der Stadt gefangen halten.» Alle Fluchtwege aus der Stadt würden durch den Bau des Walls beseitigt. Wer entkommen wolle, müsse an den von den RSF kontrollierten Checkpoints vorbei. Dort werden sie von RSF-Kämpfern erpresst, entführt, angegriffen, vergewaltigt oder getötet. «Wir haben visuelle Beweise dafür, dass dort Hinrichtungen stattfinden», sagt Raymond. «Und es ist unvermeidlich, dass dies bald in grösserem Umfang geschehen wird.»
In der Stadt al-Geneina, westlich von al-Fasher, nahe der Grenze zu Tschad gelegen, wurden 2023 ganze Stadtteile von den RSF niedergebrannt. Tausende Masalit wurden getötet. (Lesen Sie hier die Geschichten der Einwohner.) Im Februar 2025 stürmten die RSF das 15 Kilometer südlich von al-Fasher gelegene Flüchtlingscamp Zamzam. Gemäss Schätzungen töteten sie zwischen 300 und 1500 Menschen und brannten Teile des Lagers nieder. Experten wie Raymond befürchten, dass sich ein solches Szenario in al-Fasher wiederholen wird. Das Ziel der RSF sei, nichtarabische Ethnien dauerhaft aus der Darfur-Region zu vertreiben oder auszulöschen.
260 000 Menschen, so schätzen es die Vereinten Nationen, sollen sich noch in der Stadt befinden. Was die Yale-Forscher auf Satellitenbildern ebenfalls gesehen haben: Die Anzahl der Gräber steigt Tag für Tag an.
nzz.ch