Die Schweiz und Liechtenstein bilden eine Zollunion, und doch kommt das Nachbarland mit 15 Prozent US-Zöllen viel glimpflicher davon


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Das Staunen ist gross in Liechtenstein, seit in der Nacht auf den 1. August bekanntwurde, dass die USA künftig Importzölle von lediglich 15 Prozent auf Waren aus dem Fürstentum erheben wollen. Manch ein Unternehmer und Politiker dürfte eine gewisse Erleichterung oder gar Genugtuung empfinden. Denn während man sich in der Schweizer Nachbarschaft die Augen reibt, sich die Schuld zuweist und auf Donald Trump schimpft, weil er die Zölle wesentlich höher veranschlagt hat als erwartet, erfreuen sich die Liechtensteiner über eine gewisse Entspannung.
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Als die USA der Schweiz im April Importzölle von 31 Prozent angedroht hatten, erschreckten sie das Fürstentum mit 37 Prozent. Insofern scheint der kleine Staat jetzt vergleichsweise gut davonzukommen – immerhin nicht schlechter als die EU und gleich wie Norwegen und Island, die anderen zwei EWR-Länder. «Es ist eine Entwicklung in die richtige Richtung, dass die Zusatzzölle deutlich tiefer ausfallen als im April kommuniziert. Darüber bin ich froh», lässt sich die Regierungschefin Brigitte Haas auf Regierung.li verlauten, dem offiziellen Online-Portal des Fürstentums.
Eine neue AusgangslageIm April hatte Liechtenstein sogleich eine Task-Force mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik einberufen. Liechtenstein habe sich aber von Anfang an für eine gemeinsame Lösung mit der Schweiz ausgesprochen und an den Verhandlungen für eine trilaterale Vereinbarung zwischen den USA, der Schweiz und Liechtenstein teilgenommen, berichtet auf Anfrage Botschafter Martin Frick vom Amt für Auswärtige Angelegenheiten des Fürstentum Liechtensteins.
Das war insofern angezeigt, als die beiden Staaten einen gemeinsamen Wirtschaftsraum bilden; seit 1923 schon besteht eine Zollunion. Es ist also nicht so, dass Liechtenstein mit den USA besser verhandelt hätte; vielmehr hatte man sich mit der Schweiz abgesprochen und keine eigenen Verhandlungen unternommen. Offenbar ist der amerikanischen Regierung seit April indessen klar geworden, dass sich aus dem Schweizer Import noch mehr Gewinn herauspressen lässt.
«Durch die nun kommunizierten unterschiedlichen Zölle für Liechtenstein und die Schweiz haben wir eine neue Ausgangslage. Wir werden die Auswirkungen unter Einbezug der Wirtschaft eingehend analysieren und uns auch weiterhin eng mit der Schweiz abstimmen», so wird die stellvertretende Regierungschefin Sabine Monauni in der Zeitung «Vaterland» zitiert.
Und Martin Frick erklärt, dass für den Export von liechtensteinischen Waren in Staaten ausserhalb der EU eigentlich das gemäss Zollvertrag anwendbare Schweizer Recht gelte. Für den Import wenden die USA nun ihr nationales Recht an. Es lasse sich noch nicht zuverlässig beurteilen, wie sich die unterschiedlichen Zollsätze auf Exporte aus dem gemeinsamen Wirtschaftsraum auswirken würden.
Die USA sind ausserhalb Europas der wichtigste Handelspartner des Fürstentums. Liechtensteinische Unternehmen beschäftigen 7000 Personen in über 40 US-Gliedstaaten. Die Direktinvestitionen in den USA belaufen sich auf 1,4 Milliarden Franken – das 3,5-Fache amerikanischer Investitionen in Liechtenstein. Laut «Vaterland» wurden im vergangenen Jahr Waren im Wert von 446 Millionen Franken in die USA exportiert. Seit Trumps Ankündigung vom 2. April sollen die Exporte in die USA jedoch um 16 Prozent gesunken sein.
Die liechtensteinische Volkswirtschaft wird auch weiterhin die Last des amerikanischen Neomerkantilismus zu spüren haben. Das Land scheint zwar einerseits von einem relativen Standortvorteil gegenüber der Schweiz profitieren zu können. Andrerseits ist es wirtschaftlich so eng mit der Schweiz verknüpft, dass es gewissermassen in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.
Gerald Hosp, ehemaliger NZZ-Wirtschaftsredaktor und Geschäftsführer des liechtensteinischen Think-Tanks Zukunft.li, weist darauf hin, dass Liechtensteiner Firmen oft Zulieferer von Schweizer Unternehmen seien, die in die USA exportierten. Deshalb geht auch Martin Frick davon aus, dass der Zolltarif von 39 Prozent auf Schweizer Güter auch liechtensteinische Unternehmen massiv treffen könnte.
«Höhere Zölle aber sind immer schlecht», findet Hosp. Und auch die 15 Prozent seien für Liechtenstein natürlich eine schwerere Belastung im Vergleich mit den Handelsbeziehungen vor dem 1. April.
Hoffen auf einen neuen DealFür die Schweiz stellt sich die Frage, ob die tieferen Importzölle auf liechtensteinische Produkte ein Nachteil sind oder nicht allenfalls gar eine Chance. Es wurde in den letzten Tagen spekuliert, ob Schweizer Unternehmer ihre Waren allenfalls indirekt über Ableger in der EU in die USA exportieren könnten, um von tieferen Zöllen zu profitieren. Das dürfte Wunschdenken bleiben, solange Schweizer Produkte in der EU nicht wesentlich weiterverarbeitet werden.
Wie steht es aber um den Umweg über Liechtenstein? Theoretisch sei das möglich, glaubt Gerold Hosp. Dafür braucht es aber einen passenden liechtensteinischen Exporteur. Viel wichtiger aber sei es, dass die Schweiz versuche, mit den USA einen neuen Deal auszuhandeln.
nzz.ch