Play-offs in Gefahr: Das ist Bayers Problem mit Tillman und Co.

Vier Kreativkräfte hat Bayer 04 verpflichtet, um den Wirtz-Abgang aufzufangen. Auch beim 1:1 gegen Eindhoven, nach dem der Vizemeister um die Play-Offs bangen muss, setzen diese Neuen keine Akzente. So ist Leverkusen in der Königsklasse nicht konkurrenzfähig.
Bislang wie die anderen neuen Kreativkräfte kein Faktor: Leverkusens Malik Tillman schiebt Frust. picture alliance / SVEN SIMON
Dass mit dem gewinnbringenden Verkauf von Florian Wirtz für 125 Millionen Euro plus Boni an den FC Liverpool auch ein großer sportlicher Verlust einhergehen würde, war in Leverkusen allen klar. Dribbel- und Passkünste, Kreativität und Torgefahr, Bissigkeit und Leichtigkeit - der deutsche Ausnahmekicker, der im Moment in der Premier League mit Anpassungsproblemen kämpft, lieferte dieses Rundum-glücklich-Paket mit der Verlässlichkeit einer Atom-Uhr ab.
Wir haben bis zu den letzten zehn Minuten ein ziemlich gutes Spiel gemacht. Aber uns hat der letzte Punch gefehlt, um den Sieg zu holen.
So selbstverständlich, dass man sich als regelmäßiger Beobachter in der BayArena schlicht daran gewöhnt hatte, wie vermeintlich einfach und gleichzeitig genial Fußball aussehen kann. Doch nach dem 1:1 gegen die PSV Eindhoven, das die Chancen von Bayer 04 auf das Erreichen der K.-o.-Runde nach dem vorangegangenen 2:2 beim FC Kopenhagen drastisch reduziert hat, und nun acht absolvierten Pflichtspielen ohne den Topstar zeigt sich, dass andauernde Kreativität alles andere als normal ist, und der deutsche Vizemeister den Abgang des Spielmachers noch nicht annähernd kompensieren kann.
Denn auch wenn sich die Werkself gegenüber dem spielerisch armseligen Auftritt beim 2:1-Sieg auf St. Pauli verbessert präsentierte und gegen Eindhoven ein Chancenplus erspielte, ist diese Mannschaft derzeit doch meilenweit von den Ansprüchen des Klubs entfernt. So fasste Kasper Hjulmand die fünften 90 Minuten unter seiner Leitung, abgesehen von einem übertriebenen "ziemlich", treffend zusammen. "Ich finde, dass wir bis zu den letzten zehn Minuten ein ziemlich gutes Spiel gemacht haben. Die Statistik zeigt, dass wir das Spiel dominiert haben mit 14:6 Torschüssen. Aber am Ende haben wir wieder ein Unentschieden. Uns hat der letzte Punch gefehlt, um den Sieg zu holen."
Bisher zeigt sich niemand dem Wirtz-Erbe auch nur ansatzweise gewachsen8:2 lautete am Ende das Chancenverhältnis für den deutschen Vizemeister. Wobei Bayer, das gehört auch zur Wahrheit, neben dem geschenkten 1:0 durch Christian Kofane nur wenige Hochkaräter herausspielte. Was nicht verwundert: Hat doch bislang keine der vier neuen Offensivkräfte, die für die beiden Zehnerpositionen im 3-4-2-1-System für insgesamt 81 Millionen Euro verpflichtet wurden, angedeutet, dass sie einen guten Teil des Wirtz-Erbes antreten könnte.
Nicht Ibrahim Maza (19), der für zwölf Millionen Euro von Hertha BSC aus der 2. Liga kam - allerdings, das muss man dazu sagen, als Perspektivspieler. Nicht das für zwei Millionen Euro von Manchester City ausgeliehene Top-Talent Claudio Echeverri (19), der bislang überraschend wenig Einsatzzeit erhält. Nicht der 32-Millionen-Einkauf und als Dribbelkünstler angekündigte Eliesse Ben Seghir (20), der von der AS Monaco kam. Und auch nicht der für 35 Millionen Euro von der PSV Eindhoven losgeeiste Malik Tillman.
Hjulmand schützt Tillman, kritisiert aber dessen EntscheidungsfindungDer 23-Jährige ist die Offensivkraft, an die aufgrund ihres Alters die höchste Erwartungshaltung geknüpft ist, dass sie sofort hilft. Doch auch der US-Nationalspieler ist noch nicht bei Bayer 04 angekommen. Auch wenn er sich nach seinem desaströsen Auftritt beim 2:1-Sieg auf St. Pauli vor der Pause gegen Eindhoven leicht verbessert präsentierte.
"Ich meine auch, dass Malik heute einige Fortschritte gemacht hat. Er hat im Spiel einige großartige Dinge gezeigt", sagte Hjulmand, der damit aber - wohl zum Schutz des Spielers - einen viel zu stark rosarot eingefärbten Blick auf den Rechtsfüßer warf, um dann zumindest dessen Entscheidungsfindung und Handlungsschnelligkeit indirekt zu kritisieren.
"Er hatte ein paar großartige Situationen, in denen er nur etwas schneller im Abschluss hätte sein müssen", urteilte der Däne, der allerdings auch den Rest des Quartetts in die Pflicht nahm. "Aber natürlich haben wir auch andere Spieler, die auf dieser Position spielen, die sich für diese Positionen entwickeln können", sagte Hjulmand, wobei es Zufall gewesen sein mag, dass er bei seiner Aufzählung nicht mit einem der Neuen begann, sondern dem für die Champions League nicht gemeldeten Routinier Jonas Hofmann (33) und erst danach Ben Seguir, Maza und Echeverri nannte.
Von all diesen Kandidaten fordert der Trainer Gegenleistung für seinen Vertrauensvorschuss ein. "Die Spieler müssen sich zeigen", sagt Hjulmand eindeutig, "wenn sie spielen, müssen sie zeigen, was sie können." Doch dies geschieht bis dato einfach nicht.
Dass keiner der neuen Kreativen zündet, ist bemerkenswertDie Eindrücke sind bis hierher ernüchternd. Dass neue Spieler nicht immer sofort funktionieren, ist nichts Ungewöhnliches im Fußball. Erst recht, wenn sie jung sind oder aus einer anderen Liga kommen. Und schon gar, wenn wie bei dem Leverkusener Quartett beides der Fall ist. Doch dass keiner der vier Kreativen ein Bein auf den Boden bekommt und zündet, ist schon bemerkenswert - und bitter.
Fehlt Bayer doch so die Qualität, um die eigenen Möglichkeiten auch in Treffer umzumünzen. Gerade nach dem 1:0 wurde dies deutlich, als sich gute Kontermöglichkeiten ergaben, diese aber wie andere Überzahlsituationen teilweise kläglich verspielt wurden. Exemplarisch dafür die Szene, als PSV-Keeper und Bayer-Leihgabe Matej Kovar Leverkusen mit einem Fehlpass eine Vier-gegen-zwei-Situation schenkte, die Tillman mit seinem kläglichen Abspiel gleich wieder zunichte machte. Solche Situationen müssen Tillman und Co. einfach besser lösen - unabhängig, ob sie in Topform sind oder nicht.
Gegen Eindhoven sorgte einzig Grimaldo für KreativitätGegen Eindhoven sorgte so keiner der Neuen, sondern der eigentliche linke Schienenspieler Alejandro Grimaldo, der bei Leverkusener Ballbesitz auf die halblinke Zehn rückte, für die Struktur im Spiel und die kreativen Momente. Der Spanier schlüpfte in die Rolle, die eigentlich von einer Kombination aus Tillman, Ben Seghir, Echeverri oder Maza übernommen werden soll. "Grimaldo hat wieder ein fantastisches Spiel gemacht", lobte Hjulmand den nach dem Umbruch im Sommer letzten verbliebenen funktionierenden Führungsspieler.
Das Problem daran: Grimaldo ist derzeit der Einzige bei Bayer 04, der dem Spiel Kreativität einhauchen kann. Machen nicht zumindest ein oder zwei der vier neuen Akteure für die Doppelzehn schnell einen großen Schritt nach vorne, wird diese Mannschaft in der Champions League nicht konkurrenzfähig sein, wenn es um die Plätze in den Play-offs geht.
Machen die Neuen nicht schnell Fortschritte, ist das erste Saisonziel schnell passéMit Blick auf die nächsten Spiele gegen PSG, bei Benfica und ManCity - sowie nach den beiden Partien gegen zwei schwächere Teams - fehlen Bayer 04 mindestens zwei, eher sogar vier Punkte, um aussichtsreich im Rennen zu liegen. Bekommt Hjulmand die Kreativ-Blockade seines Quartetts nicht schnell gelöst, dürfte zumindest das erste Saisonziel des Vizemeisters schnell verpasst werden.
kicker