Einst war der EHC Kloten eine schrecklich nette Familie – jetzt boykottiert der harte Kern der Fans seinen eigenen Klub. Was ist passiert?

Nach Ausschreitungen hat der EHC Kloten Massnahmen gegen Fangewalt ergriffen. Jetzt versuchen Anhänger, ihren Klub zu Milde gegenüber Vandalen zu nötigen.
Patrick B. Kraemer / Keystone
Fangewalt ist im Mannschaftssport ein leidiges Thema, das mittlerweile nicht nur die Klubs, sondern auch die Politik beschäftigt. Vor allem der Fussball leidet unter der Selbstdarstellung gewisser Fanorganisationen, die das Stadion als ihr Tummelfeld betrachten und zu einer Art rechtsfreien Zone machen wollen.
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Ob marodierende Gruppen an Volksfesten, Pfefferspray-Attacken mitten in der S-Bahn oder Angriffe auf Mitarbeiter der Transportpolizei – Fangewalt gibt es von Zürich bis Genf. Der Ständerat will der Gewalt mit personalisierten Tickets beikommen. Er unterstützte einen Vorstoss seiner Sicherheitspolitischen Kommission. Mit derlei Tickets sollen Gewalttätige bereits beim Billettkauf aussortiert und daran gehindert werden, ihren Unfug zu treiben. Doch die Swiss Football League (SFL) lehnt entsprechende Massnahmen bis jetzt kategorisch ab.
Klotener Randale in BozenAnhänger, die den Anstand zu Hause lassen, sobald sie sich auf den Weg ins Stadion machen, gibt es nicht nur im Fussball, sondern auch im Eishockey. Anhänger des EHC Kloten randalierten im September an einem Vorbereitungsturnier in Bozen und verursachten damit einen Grosseinsatz der italienischen Polizei. Die Ordnungskräfte sollen daraufhin die Unterkunft der Klotener umstellt und den Fanbus bis zur Grenze eskortiert haben.
Dichtung oder Wahrheit? Vieles in der Medienmitteilung der italienischen Polizei wirkte etwas gar drastisch dargestellt. Der EHC Kloten aber reagiert vehement auf die Ereignisse. Er erhöhte die Kontrollen und führte ein Vermummungs- und Choreografieverbot für die Heimspiele ein. Dazu wurden für die ersten zwei Saisonspiele Trommeln, Fahnen und Choreos untersagt.
Das passt der Klotener Fanszene «Stehplatz Schluefweg» indes überhaupt nicht. Sie sprach wie meist in solchen Fällen von «Willkür» und «Kollektivstrafen». In einer Stellungnahme schrieben die Organisatoren des Protests: «Unser Support gehört fortan dorthin, wo er derzeit besser passt: nämlich zu den Junioren. Also dorthin, wo das Publikum grundsätzlich willkommen und ein familiäres Kloten-Gefühl spürbar ist.»
Seit Anfang Saison boykottiert der harte Kern der Anhänger die Spiele der ersten Mannschaft im Schluefweg. Auf der Stehplatztribüne, auf der üblicherweise der harte Kern für Atmosphäre sorgt, herrschte in den ersten Runden gähnende Leere. Stattdessen sorgten die Klotener Fans am vergangenen Wochenende beim 4:3-Erfolg der U-18-Mannschaft gegen die Alterskollegen aus Langnau für eine stimmungsvolle Atmosphäre im Stadion.
Der Vorfall ist ein weiterer Bruch in jenem Klub, der sich einst als eine grosse, glückliche Familie betrachtete. Die Fanorganisation will sich nicht näher zu ihrem Protest äussern. Auf eine Anfrage der NZZ reagierte sie mit einem kurzen Mail. Darin verwies sie auf «unsere beiden Communiqués», in denen sie versucht habe, die Situation nachvollziehbar zu erklären. «Alle weiteren Diskussionen möchten wir mit dem Verein führen, um gemeinsam eine nachhaltige Lösung zu finden, und diese nicht weiter in der Öffentlichkeit austragen.»
In einer der erwähnten Medienmitteilungen spricht «Stehplatz Schluefweg» von einer pauschalen Verurteilung. Sie bezieht sich dabei auf Zitate wie: «Personen, die Teil solcher Gruppierungen sind oder diese unterstützen, haben keinen Platz in unseren Reihen.» Diese würden das gegenseitige Vertrauen endgültig zerstören.
«Der gute Mann von Kloten» steht in der KritikDie zitierte Aussage wird dem Verwaltungsratspräsidenten Jan Schibli zugeordnet. Der langjährige Anhänger und Gönner gilt als «der gute Mann von Kloten». Mehrmals hat der Elektrounternehmer aktiv zur Rettung des Klubs beigetragen; seit mittlerweile vier Jahren steht Schibli an der Spitze des Klubs. Er hat sich in den vergangenen Tagen mit Protagonisten der Fanszene getroffen. Die letzte Begegnung fand am Montagabend statt.
Zum Inhalt der Gespräche will er sich gegenüber der NZZ nicht konkreter äussern. Schibli sagt: «Es ist richtig, dass wir an einer Lösung des Problems arbeiten. Wir haben uns aber darauf geeinigt, die Angelegenheit nicht mehr öffentlich zu kommentieren.» Nicht alle teilen diese Zurückhaltung. Der harte Kern des Klotener Anhangs reagierte mit einer Spitze: «Es kam zu zwei Treffen, die mit Dialog auf Augenhöhe oder ‹intensivem Austausch› nur wenig zu tun hatten.»
In der Affäre scheint einiges schiefgelaufen zu sein. Vertreter des Klubs geben mittlerweile Fehler und Versäumnisse zu. Einerseits erfolgte die Fanreise nach Südtirol ohne das übliche Sicherheitspersonal, das darüber wacht, dass keine Grenzen überschritten werden.
Was genau aber erwarteten die Anhänger vom Klub? Einen Kniefall oder gar die Absolution für die Berserker, die in Bozen Ordnungskräfte und Polizisten angegriffen hatten? Das Eishockey ist bisher weitgehend von Bildern verschont geblieben, wie sie der Fussball mittlerweile oft liefert. Auch in den Eisstadien aber kommt es immer wieder zu Pyro-Attacken, Sachbeschädigungen und Vandalismus. Anfang Saison etwa hatten Anhänger der Rapperswil-Jona Lakers in Kloten die Sanitäranlagen verwüstet.
Momentan sind im Schweizer Eishockey rund 150 Stadionverbote in Kraft. Ein paar weitere dürften dazukommen, wenn die Klotener Vandalen aus Südtirol identifiziert sind. Zu den wüstesten Ausschreitungen war es im Frühjahr 2001 in Lugano gekommen, als Anhänger der Luganesi nach dem Meistertitel der ZSC Lions vor laufenden TV-Kameras die Pokalübergabe verunmöglichten.
Der Vorfall ging unter der Bezeichnung «die Schande von Lugano» in die Geschichte des Schweizer Eishockeys ein. Es sind Bilder, die niemand noch einmal sehen will. Weder in Kloten noch in irgendeinem anderen Stadion in der National League.
nzz.ch