Die Schweiz gewann in elf Jahren drei Medaillen – der Eishockey-Nationalcoach Patrick Fischer hat genug von Silber

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Die Schweiz gewann in elf Jahren drei Medaillen – der Eishockey-Nationalcoach Patrick Fischer hat genug von Silber

Die Schweiz gewann in elf Jahren drei Medaillen – der Eishockey-Nationalcoach Patrick Fischer hat genug von Silber
Hat stets den Fortschritt im Blick: Patrick Fischer, der Coach des Schweizer Eishockey-Nationalteams.

Die Vorbereitung auf die Eishockey-Weltmeisterschaft in Herning und Stockholm begann für das Schweizer Nationalteam vor rund drei Wochen mit einer Vorführung der Dokumentation «Road to the Silver Medal 2024». Also mit einem Rückblick auf das letztjährige WM-Turnier in Prag und Ostrava, das für die Schweizer mit dem Gewinn der dritten Medaille innert elf Jahren positiv geendet hatte.

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Zu Wort kommen in der rund eineinhalbstündigen Dokumentation neben dem Nationalcoach Patrick Fischer und seinem Vorgesetzten Lars Weibel auch der Goalie Leonardo Genoni und die Spieler Roman Josi, Andres Ambühl und Nico Hischier. Die vier Protagonisten bildeten das Rückgrat jener Mannschaft, die erst im Final von den tschechischen Gastgebern gestoppt wurde (0:2).

In den Aussagen der Spieler im Dok-Film kommt weniger Freude über die Silber- als vielmehr Enttäuschung über die verpasste Goldmedaille zum Ausdruck. Der Teamsenior Andres Ambühl sagt, die Medaille habe sich wie eine Niederlage angefühlt. Und der Coach Fischer ergänzt: «Ich habe nun dreimal den Final verloren, langsam wird es mühsam.»

Am Ende einer langen Reise

Es sind erstaunliche Worte nach einem ausgesprochen gelungenen Turnier. Als die Schweiz vor nunmehr zwölf Jahren an der Weltmeisterschaft in Stockholm erstmals nach sechzig Jahren wieder eine Medaille gewonnen hatte, erfasste das Land eine Welle der Euphorie.

Die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft blickt auf eine lange Reise zurück. Noch vor einem Vierteljahrhundert schien Edelmetall unerreichbar. Damals gab es noch keine Schweizer Eishockeyspieler, die sich in Übersee versuchten und sich auch durchsetzten. Als Erster absolvierte der langjährige Ambri-Torhüter Pauli Jaks im Herbst 1994/95 für die Los Angeles Kings einen Match in der NHL.

In jener Zeit konnte sich kaum ein Coach länger als eine Saison an der Bande des Nationalteams halten. Die Ausnahme war der Emmentaler Simon Schenk, der gleich zweimal erfolgreich als Nationaltrainer arbeitete, ehe er auf die Saison 1997/98 durch den Deutsch-Kanadier Ralph Krueger ersetzt wurde. Und mit Krueger kam die Wende: Der Sohn einer Theaterschauspielerin war rhetorisch derart begabt, dass er den Spielern den Glauben an die eigenen Möglichkeiten erfolgreich vermitteln konnte – und diesen ein neues Mindset implementierte.

Krueger sprach immer wieder davon, dass die Schweizer in naher Zukunft eine Medaille gewinnen werden. Er selbst erlebte das allerdings nicht mehr als Coach des Teams. Nach dreizehn Jahren beendete er seine Karriere als Nationaltrainer 2010 nach dem Olympiaturnier in Vancouver. Fischer gehörte als Spieler zu den Stammspielern in Kruegers Team, dem wegen seiner guten Organisation auch international Respekt entgegengebracht wurde.

Seither hat Fischer aufgenommen und perfektioniert, was Krueger angestossen hatte. Die Qualität der Nationalspieler ist heute deutlich höher. Und mittlerweile haben sich die Schweizer in der NHL etabliert: Roman Josi oder Nino Niederreiter setzten sich in Übersee fest. Neben ihnen spielten in der vergangenen Saison neun weitere Schweizer mehr oder weniger regelmässig in der NHL. Janis Moser (Tampa Bay Lightning), Jonas Siegenthaler, Nico Hischier und Timo Meier (alle New Jersey Devils) figurieren heuer im Schweizer WM-Kader. Und mit Kevin Fiala (Los Angeles Kings) wird kurzfristig womöglich noch ein Fünfter zum Team stossen.

Will nichts wissen von einer Pause: der Schweizer Nationalspieler Nico Hischier.

Salvatore Di Nolfi / Keystone

Die Schweizer sind immer noch stark von ihren Verstärkungen aus der NHL abhängig. Der Sportdirektor Lars Weibel sagt in der Dokumentation: «Wir haben heute eine starke Basis. Trotzdem müssen wir immer zuerst abwarten, welche Spieler aus Übersee zum Team stossen. Erst dann können wir unsere Ambitionen formulieren. Wenn sie ankommen, dann geht ein Ruck durch das ganze Team.»

Doch nicht alle NHL-Cracks, deren Saison in Nordamerika bereits beendet ist, werden in den nächsten zwei Wochen auch um eine WM-Medaille spielen. Roman Josi und Philipp Kurashev sind verletzt; Pius Suter sagte ab, weil er seit kurzem vertragslos und somit auch nicht versichert ist. Für Nino Niederreiter geht die Saison mit den Winnipeg Jets vorerst noch weiter.

Ursprünglich hatte Fischer angedeutet, in diesem Frühjahr auch auf Nico Hischier verzichten zu wollen, um diesem vor der wichtigen nächsten Saison mit dem Olympiaturnier in Mailand und der Heim-WM in Zürich und Freiburg eine Pause zu gönnen. Doch davon will der 26-jährige Walliser nichts wissen. In der Dokumentation sagt der Schweizer Nummer-1-Draftpick von 2017: «Es macht mich stolz, für die Schweiz zu spielen und das Land zu repräsentieren. Für mich ist klar: Wann immer ich die Chance habe und gesund bin, werde ich auch für die Nationalmannschaft spielen.»

Die Anekdoten, dass etablierte Spieler Aufgebote für das Nationalteam ausschlugen, weil ihr Hund an einer Bänderzerrung litt, sind Episoden aus einer Zeit, in der die Schweizer Auswahl zwischen A- und B-Gruppe pendelte und kaum Aussichten auf den Gewinn einer Medaille hatte.

Trotz der Silbermedaille im vergangenen Frühjahr zählt die Nationalmannschaft am WM-Turnier in Herning und Stockholm heuer nicht zum engsten Favoritenkreis. Die schwedischen Gastgeber, aber auch Kanada, die USA und der Titelverteidiger aus Tschechien, der am Freitag der erste Gegner der Schweizer sein wird, reisen mit besser besetzten Teams an.

Fischers Tränen der Erleichterung

Doch die letzten zwei Testspiele am vergangenen Wochenende in Brünn, ein 8:2 gegen Finnland und ein 5:3 gegen Tschechien, weckten Ambitionen. Fischers Team war zu jenen Partien noch ohne NHL-Spieler angetreten. Entsprechend optimistisch flogen der Coach und seine Spieler am Dienstag nach Dänemark.

Vor einem Jahr war die Anspannung rund um das Nationalteam noch deutlich grösser gewesen. Nach der Viertelfinal-Niederlage an der WM 2023 in Riga gegen Deutschland und einer Negativserie mit elf verlorenen Partien ging es in Tschechien nicht zuletzt um die Zukunft des Trainers Fischer und des Direktors Weibel.

Zum gewonnenen WM-Viertelfinal im vergangenen Frühling sagt Fischer in der Dokumentation: «Das 3:1 gegen Deutschland war eine Erlösung. Als ich nach dem Match auf mein Zimmer ging, flossen bei mir Tränen der Erleichterung. Ich wollte weiterhin mit dieser Mannschaft zusammenarbeiten. Gleichzeitig wusste ich: Wenn es dieses Mal nicht klappt, wird das wohl das Ende für mich als Nationalcoach sein.»

Nun steigt Fischer in seine neunte Weltmeisterschaft als Trainer des A-Nationalteams. Sein grosses Ziel, den Weltmeistertitel, hat er noch nicht erreicht. Der Goalie Genoni sagt dazu gegen Ende der Dokumentation: «Wir wollen die Farbe dieser Medaille ändern.» Will heissen: möglichst bald die Goldmedaille gewinnen. Die Ambitionen des Schweizer Nationalteams sind also unverändert gross. Denn Fischer weiss: Ohne solche gibt es auch keinen Fortschritt.

nzz.ch

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