Der Turbo David Degen macht den FC Basel wieder meisterlich, dennoch schlägt ihm Skepsis entgegen


David Degen besucht ein Training des FC Basel und lästert dabei so laut über einen Fussballer, dass dies auf dem Gelände gut zu hören ist – von Spielern und vom Trainer. Danach werden dem Enervierten zwei Optionen ans Herz gelegt: sich künftig ruhig zu verhalten. Oder den Schauplatz zu meiden.
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Wann sich das so abgespielt hat, ist sekundär. Das Problem: Degen ist in jenem Moment nicht als Zaungast oder Platzwart zugegen, sondern als Klubchef, als Präsident des Verwaltungsrats. Degen bleibt Degen. Aber mittlerweile bleibt er den meisten Trainings fern.
Der 42-jährige David Degen steht vor den erfolgreichsten Tagen als Klubfunktionär. Einerseits bahnt sich der Meistertitel an, andrerseits ist der Cup-Sieg gegen den FC Biel greifbar. Das wäre das Double, begleitet von Festivitäten auf dem Barfüsserplatz – nur ein Jahr nachdem viel infrage gestellt war. Auf dem Rasen stürzte der Klub ab, im Hintergrund mussten zunächst heimlich Millionen eingeschossen werden.
Degen griff 2021 als 38-Jähriger nach dem FC BaselDie NZZ schrieb damals, dass dies das Resultat sei «von zu viel Personalbewegungen, von einem zersetzten Team, von nicht nachvollziehbaren Trainerwechseln, von unerfahrenen Klubbesitzern, von gestern so, heute anders – und morgen nochmals anders». Gemeint ist die Führungskultur unter der Leitung David Degens.
Er ist das operative Gesicht des FC Basel, seit vier Jahren, seit er 2021 den Machtkampf gegen Bernhard Burgener gewonnen hat und zum Mitbesitzer des FC Basel geworden ist. So jung hat noch nie jemand nach einem Schweizer Grossklub gegriffen. 2024 war ein Tiefpunkt.
Der Zusatz «hyper» fällt oft, wenn Wegbegleiter über David Degen reden. Degen war schon als Fussballer «hyperschnell». Er kann hypernervös sein, sprunghaft in Gedanken. Er reagiert zackig, redet rasant. Er «hypert», heisst es in einer Mundart-Wortkreation. Er steht während Sitzungen zuweilen auf, weil er sich nicht mehr ruhig halten kann. Er hat Energie, und sein Gegenüber braucht Energie. Eine halbe Stunde Degen kann erschöpfen.
David Degen wollte nur in die Nähe des BrudersIn jungen Jahren schickten Trainer David Degen vom Training weg auf eine Footing-Runde zum Auslüften. Zu viel war zu viel. Oft verdoppelte sich die Energie, weil der Zwillingsbruder Philipp Degen nicht weit weg war. Der Fussballer David Degen tätigte einen Fehltransfer, als er sich 2006 der Bundesliga und Mönchengladbach anschloss. Er tat dies, weil Philipp keine hundert Kilometer entfernt in Dortmund unter Vertrag war.
Die Brüder sind eng. Aber da fliegen auch Fetzen. Wenn sie in einem Restaurant streiten, weiss hernach fast jeder Gast, wer welchen Fehler gemacht haben soll.
Als David Degen 2021 den FC Basel übernahm, schlief er nicht gut. Zu schwer war die Last, zu belastet das Erbe. Dann die Krise vor einem Jahr. Andere wären untergegangen, heisst es in seinem Umfeld, alles Ungemach habe sich auf ihn reduziert, auf denjenigen, der hinsteht, mit gradliniger Art, mit Willen, mit Vor-den-Kopf-Stossen, mit dem zur Polarisierung neigenden Wesen.
Doch jetzt muss er in sich tiefe Genugtuung spüren. Ein Gefühl, das nicht einfach zu kanalisieren und zu kontrollieren ist, nach so viel Kritik. Rauf und runter. Und das schnell. Ganz Degen. Was macht das jetzt mit ihm? Bald wird ihm der gefüllte Barfüsserplatz zu Füssen liegen. Leider redet der FCB-Zampano derzeit nur im Fernsehen und über klubeigene Kanäle.
Taten sprechen. Auf dem Transfermarkt traute man Basel 2024 wenig zu, weil neben dem Erfolg auch internationale Spiele fehlten. Dennoch wurden mit Spielertransfers netto sagenhafte 27 Millionen Schweizerfranken eingefahren. Das beruhigt den Schlaf, den Laden.
Xherdan Shaqiri ist das Extra im ZaubertrankZudem sticht der Trumpf Xherdan Shaqiri, dessen Transfer zum Glücksbringer geworden ist. Für Degen, für Shaqiri, für Basel. Shaqiri bleibt fit und macht Mitspieler besser. Zudem schwächelt die Konkurrenz. Das reicht.
Das Transfersaldo bestätigt, dass David Degen ein guter Händler ist, ein wirbliger Unternehmer mit Wohnsitz im steuergünstigen Schindellegi, eine Spürnase, die mit Immobilien und Fussballer handelt. An- und Verkauf, Provisionen, Mehrwert. Oft im Gespann mit seinem Zwillingsbruder Philipp. Früher in der Spieleragentur, die nunmehr sein Bruder führt, jetzt auf der anderen Seite als Klubpräsident. Mögliche Interessenkonflikte sind sekundär, zumal im Erfolg.
Peter Klaunzer / Keystone
Die zentrale Position Philipps kann im Unternehmen Degen nicht genug betont werden. Die Transferdrehscheibe füttert das System. Erlös auf die Schnelle versprechen nicht junge Fussballer aus dem eigenen Haus, sondern jene aus dem Ausland. Da ist mehr Spekulation und Verkehr möglich, ein Jahr hier, ein halbes Jahr da. Wertsteigerung. Und wieder weg. Weniger Verbindlichkeit. Flüchtigkeit statt Identifikation.
David Degen hat unlängst im Podcast des FC Basel quantifiziert, wie er seine Rolle definiert: «95 Prozent Wirtschaft, 5 Prozent Fussball.» Kein Zufall ist, dass der FCB als neuen Hauptsponsor einen Krypto-Broker an Land gezogen hat. Ein Krypto-Unternehmen löst den 2004 eingestiegenen Pharmariesen Novartis ab.
Degen provozierte SchlichtungsverhandlungenAls Fussballer hatte David Degen eine ansehnliche Super-League-Karriere, vornehmlich im FC Basel und bei YB. Vor über zehn Jahren ging sie zu Ende. Er rieb sich mit Trainern wie Christian Gross und Vladimir Petkovic, in Bern waren «Schlichtungsverhandlungen» traktandiert. Im Klub-Podcast sagt David Degen den bemerkenswerten Satz: «Ich bin mir mit meinem Charakter im Weg gestanden.» Er hatte früh das Business im Blickfeld.
Er, der in Lampenberg aufwuchs. Lampenberg? Heute 439 Stimmberechtigte, Baselland, SVP-dominiert. Die Eltern und die Schwester wohnen immer noch dort. Wenn man die Degen-Brüder fragt, warum sie sind, wie sie sind, nehmen sie oft Lampenberg als Referenz: ehrlich, direkt, bodenständig, gradlinig, klar, forsch.
Sie könnten jemanden verbal überfahren, stünden aber stets zuvorderst hin, sagen sie. Sie hätten den Mut, etwas verändern zu wollen. Gestaltung, Tempo, Unternehmertum. Voll drauflos.
Degen war schon als Spieler kaum zu fassenDavid Degen bot als Spieler geniale Szenen. Gleichzeitig wunderten sich selbst Mitspieler, welch wunderliche Laufwege Degen einschlug. Unberechenbarkeit, im Guten wie im Schlechten.
Wer sich in Basel umhört, selbst in Zeiten, in denen Trophäen nicht weit weg sind, staunt, wie viel Skepsis den Degens entgegenschlägt. Immer wieder, immer noch, auch jetzt. Mit der immergleichen Frage, mit ihn begleitenden Zweifeln: Kann Erfolg auf diese Art von Dauer sein?
Ein langjähriger und durchaus wohlgesinnter Degen-Kenner sagt auf die Frage, ob David Degen ein guter Klubchef sei: «Dave» habe viel einstecken müssen. Er habe viel gelernt und werde sich ändern – «aber nicht genug». Warum nicht genug? «Weil Dave Dave ist.»
Die Degen-Brüder betonen bei jeder Gelegenheit, wie «schnelllebig» das Fussballgeschäft sei. Schnell waren in der Ära Degen Trainer weg. Patrick Rahmen, Guillermo Abascal, Alex Frei, Timo Schultz und Heiko Vogel. Konstanz geht anders.
Zur Degen-Art gehört die Qualität, dass Fehler eingeräumt werden. Die Rahmen-Entlassung war falsch. Wenn David Degen ehrlich zu sich selbst ist, auch diejenige Freis. Und: Heiko Vogel genoss sogar Narrenfreiheit, als Sportchef und als Trainer.
Fabio Celestini war nahe der FreistellungAnfang April geriet der in Basel als «schwierig» geltende Fabio Celestini in den Fokus, der Mann, der sich bald Meistertrainer nennen darf. Hätte das Team nicht plötzlich Siege aneinandergereiht, wäre heute auch Celestini Basler Vergangenheit. Resultate her, hier und jetzt. Nicht warten, sondern fordern. Celestini plädierte für Vorsicht, auch in der Kommunikation. Degen wollte Volldampf. Degen und Celestini sind grundverschieden. Nicht Degen hat Celestini nach Basel geholt.
Georgios Kefalas / Keystone
Die Degen-Jahre sind von personellen Umwälzungen geprägt. Auf jeder Stufe, in jeder Ecke der Organisation. Viele vergleichen das mit Christian Constantin und dem FC Sion. Teilweise wird auch der Wechsel-Taifun im FC Zürich genannt. Solche Vergleiche schmerzen Degen.
Zweifellos hat er im letzten Jahr viel gut gemacht. Die Sportkommission setzt sich aus früheren Spielern zusammen und bietet Ergänzung sowie Korrektiv. Degen, der Sportchef Daniel Stucki, das Basler Urgestein Ruedi Zbinden und Valentin Stocker.
Degen lässt Stucki Auslauf. Und nicht mehr Heiko Vogel. Stucki besucht Trainings. Degen ist etwas ruhiger geworden, sagt auch etwas öfter Danke. Er hat Kontakte in die Politik, die Wirtschaft. Er ist Netzwerker und bleibt gleichzeitig Individualist. Er hat Shaqiri, der womöglich viel übertüncht. Degen nimmt Risiko («Ich gehe ‹all in›»), hat Geld im Klub – und macht für den Klub Geld.
Im Training ist kein Degen-Schrei des Entsetzens mehr zu hören. Doch die Frage ist, was jetzt kommt. Nach dem Jubelschrei. Und wie lange das Zaubermittel Shaqiri wirkt.
Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»
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