Aktivistisches Einhorn: Jetzt schlägt die Stunde der besten deutschen Basketballerin Satou Sabally

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Aktivistisches Einhorn: Jetzt schlägt die Stunde der besten deutschen Basketballerin Satou Sabally

Aktivistisches Einhorn: Jetzt schlägt die Stunde der besten deutschen Basketballerin Satou Sabally

Die Berlinerin Satou Sabally hat in der WNBA den Status einer Starspielerin. Die Liga boomt, nachdem sie lange Zeit mit Körben voller Vorurteile zu kämpfen gehabt hat. Damit kennt sich Sabally aus, ihre eigene Geschichte ist voll davon.

Nicola Berger

Ein Einhorn in Phoenix: die deutsche Basketballerin Satou Sabally.

Mark J. Rebilas / Imagn / Reuters

Als Teenager hörte Satou Sabally irgendwann damit auf, sich so zu kleiden, wie es ihr gefiel. Sie war in New York zur Welt gekommen, hatte in Gambia gelebt, aber ab der Einschulung war Berlin ihr Lebensmittelpunkt. Erst in Deutschland, der Heimat ihrer Mutter, sei ihr bewusst geworden, dass sie schwarz sei, weil sie sich vorher über so etwas nie habe Gedanken machen müssen; Hautfarbe hatte schlicht keine Rolle gespielt.

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In einer Ferienwoche an der Ostsee änderte sich das. Es prägte Sabally. Sie mochte die farbenfrohe Kluft, die sie aus Gambia kannte. Aber sie begann zu fürchten, die Menschen nähmen diese als «zu exotisch» wahr. In Berlin, wohlgemerkt. Und nicht in, sagen wir, Hoyerswerda.

Saballys Skepsis war nicht unbegründet. Sie erlebte, wie ihre Brüder im Supermarkt verfolgt wurden, weil es das Vorstellungsvermögen der Ladendetektive offenkundig überstieg, dass schwarze Jungs eventuell einfach etwas kaufen möchten. Draussen fragten die Leute sie und ihre jüngere Schwester, woher sie stammten. Und wenn sie sagten: Berlin, war die Replik, nein, woher wirklich, sie seien ja schliesslich nicht weiss.

Weil Sabally diesen Alltagsrassismus immer wieder erlebt hat, redet sie bis heute gegen ihn an. Jetzt, wo die Menschen ihr zuhören, weil sie Deutschlands Beste ist. Fremdenfeindlichkeit sei auch eine «globale Pandemie», sagte sie während Covid-19. Kurz darauf unterstützte sie die «Black Lives Matter»-Proteste und sagte der «Süddeutschen Zeitung» nach dem Mord an Ahmaud Arbery: «Es sieht so aus, als würden die Verdächtigen für diese brutale und menschenunwürdige Tat deutlich kürzer im Gefängnis sitzen als ein Afroamerikaner, der mit Marihuana dealt, um seiner Familie zu helfen. Das ist doch grotesk.» Die Behörden hatten zunächst entschieden, in diesem Fall keine Verhaftungen vorzunehmen. Auf enormen öffentlichen Druck gab es letztlich doch ein Verfahren, die beiden Haupttäter wurden zu lebenslanger Haft verurteilt.

Bad in der Menge: Sabally an der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Paris im Sommer 2024.
Sabally ist ein Gegenentwurf zu Michael Jordan und Roger Federer

Sabally hat einen Abschluss in Sozialwissenschaften und hat viel zu sagen. Ihr Horizont endet nicht am Basketballkorb. Sie wolle als Aktivistin gesehen werden, sagt sie oft. Von ihrer Angriffslust hat sie auch jetzt nichts eingebüsst, wo sie sportlich in neue Sphären vorstösst. Im Sommer hat Adidas ihren eigenen Schuh auf den Markt gebracht, und es ehrt Sabally, dass sie vom alten Michael-Jordan-Leitsatz nichts hält: «Auch Republikaner kaufen Schuhe», hatte Jordan gesagt und mit dieser Maxime eine Reihe von Athleten inspiriert, bestimmt auch Roger Federer. Die ausser für sportliche Brillanz für nichts stehen, weil das einen Dollar kosten könnte. Sabally ist eine der Wortführerinnen im Kampf um fairere Entlöhnung.

Die WNBA ist lange belächelt worden, doch nun boomt die Liga längst. Es werden Zuschauerrekorde gebrochen, in den Stadien und am TV. Spielerinnen wie Caitlin Clark oder A’ja Wilson sind zu Megastars geworden, die mit Werbeverträgen eingedeckt werden. Clark war am College ein so gehyptes Phänomen, dass die Einschaltquoten bei ihrem Finalspiel höher waren als beim Play-off-Final der NBA. Ihr Salär bei Indiana Fever betrug in dieser Saison trotzdem nur 78 000 Dollar – ihre männlichen Pendants wie Damian Lillard verdienen für ein einziges Spiel teilweise das Zehnfache. Für die Frauen war es jahrelang Usus, nach der WNBA-Saison nach Europa oder Asien zu reisen, um irgendwie über die Runden zu kommen. So war das auch bei der in Russland aufgrund einer Bagatelle lange inhaftierten Brittney Griner gewesen.

Sabally musste sich in den letzten Jahren bei Fenerbahce und in China ebenfalls etwas dazuverdienen, inzwischen erhält sie bei Phoenix Mercury 215 000 Dollar. Im Hintergrund laufen derzeit die Verhandlungen über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag, die Deadline ist auf Ende Monat terminiert. Im Juli nannte Sabally ein Angebot der schwerreichen Teambesitzer «einen Schlag ins Gesicht». Es droht der erste Lockout der Ligageschichte. Ausgerechnet jetzt, wo die WNBA ihr grosses Frühlingserwachen erlebt.

Sportlich bewegt sich Sabally nicht in den Sphären von Jordan, Federer oder schon nur Dirk Nowitzki, mit dem sie oft verglichen wird, weil sie nun einmal Deutsche ist und wie Nowitzki lange in Dallas spielte. Aber gerade hat sie ihr neues Team Phoenix Mercury in den Play-off-Final geführt; in der Nacht auf Samstag duelliert sie sich dort mit den Las Vegas Aces um Wilson, die gerade zum vierten Mal als wertvollste Spielerin der Liga ausgezeichnet wurde. Der frühere American-Football-Superstar Tom Brady gehört zu den Mitbesitzern der Aces, die als erstes Team in der Historie der WNBA jedes Heimspiel ausverkauften.

Gegen das Ex-Team in Aktion: Sabally wirft gegen die Dallas Wings einen Korb.

Kevin Jairaj / Imagn Images / Reuters

In Berlin wurde sie wegen ihrer Körpergrösse auf dem Spielplatz entdeckt

In der Qualifikation lag Sabally in der Skorerliste auf Platz 14, doch ihr Wert lässt sich ohnehin nicht auf Punkte reduzieren. Mit ihrer Körpergrösse von 1,94 Metern und spielerischer Vielseitigkeit gilt sie als «unicorn», als Fabelwesen, das fast alles kann. Ihre Hünenhaftigkeit hatte sie einst überhaupt zu diesem Sport geführt: In Berlin war sie im Alter von neun Jahren auf einem Spielplatz von einer Basketballtrainerin angesprochen worden. Die ersten Jahre spielte sie als einziges Mädchen in einem männlichen Nachwuchsteam. Zunächst erhielt sie kaum je den Ball, aber am Ende war sie die beste Spielerin des Teams.

Diesen Status hat sie auch in Phoenix. Bei ihrer Vorstellung im Sommer 2024 wollte der General Manager Nick U’Ren gar nicht mehr aufhören, sie mit Komplimenten zu überhäufen, so erfreut war er, die Deutsche in einem komplizierten Tauschgeschäft mit vier involvierten Teams aus Dallas verpflichtet zu haben. Der Trade war auch: ein Wagnis. Denn Sabally ist bereits 27 und hatte in Texas oft verletzt aussetzen müssen; 2024 absolvierte sie nur 15 von 40 Partien. In vier Jahren schaffte ihr Team den Einzug in die Play-offs nie.

Doch nun greift sie nach den Sternen, unter den Scheinwerfern von Las Vegas. Es ist die grösste Bühne ihrer Karriere. Man darf davon ausgehen, dass sie auf und neben dem Court einiges zu melden hat.

nzz.ch

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