Revolutionärer 1. Mai in Berlin: Kommunistische Kampfrufe und ein Grußwort von Daniela Klette

Daniela Klette wäre auch gerne hier, um eine Rede zu halten. Sie darf aber nicht. Die ehemalige RAF-Terroristin sitzt im rund 400 Kilometer entfernten Vechta in Untersuchungshaft. An ihrer Stelle steht ein vermummter Mann auf dem Lautsprecherwagen der „Revolutionären 1. Mai Demo“ in Berlin-Kreuzberg und liest eine Grußbotschaft der 66-Jährigen vor. „Aus unerfindlichen Gründen ist Daniela Klette heute nicht hier“, leitet er unter Applaus ein.
Klette richtet sich in ihrem Grußwort gegen den Kapitalismus, dem „so viel Abgründiges“ innewohne, gegen Israel, das mit Unterstützung der Bundesregierung einen „Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung“ verübe, gegen „die Verfolgung jeder palästinasolidarischen Aktivität“ und eine „Militarisierung und Kriegsertüchtigung“ in Deutschland.
Die deutsche Politik befeuere den Krieg in der Ukraine und arbeite auf einen direkten Krieg mit Russland hin, behauptet sie. Und Klette schickt „solidarische Grüße“ an alle „Unterdrückten und Ausgebeuteten“, in der Legalität, Illegalität und in den Gefängnissen. Außerdem „Liebe und Kraft für Volker und Burkhardt und alle Untergetauchten“. Gemeint sind ihre noch flüchtigen mutmaßlichen Komplizen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg. Die drei sollen insgesamt 13 Geldtransporter und Supermärkte überfallen haben.

Teilnehmer stehen während der "Revolutionären 1. Mai Demo" 2025 am Südstern in Berlin.
Quelle: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Die Veranstalter der linksradikalen 1.-Mai-Demonstration in Berlin hatten schon vor einigen Wochen angekündigt, dass sie die Ex-Terroristin als Rednerin einladen und alternativ ein Grußwort verlesen wollen. Bei den Demo-Teilnehmern, die vor dem Lautsprecherwagen in der Sonne stehen, kommt das gut an.
Klettes Botschaft ist Teil der Auftaktkundgebung, in anderen Redebeiträgen geht es um migrantische Selbstorganisation, Arbeitskämpfe an der Berliner Charité oder die Kriege in Gaza und der Ukraine. Und um die Revolution.

In Celle hat der Prozess gegen das Ex-RAF-Mitglied Daniela Klette begonnen - wegen der Überfälle auf Geldtransporter und Supermärkte. Am Ende spricht sie selbst - und stilisiert sich zum Opfer einer angeblichen politischen Verfolgung. Zu den Leidtragenden der Überfälle? Kein Wort des Bedauerns.
Früher wurde die „Revolutionäre 1. Mai Demo“ in Berlin von der autonomen Szene der Hauptstadt dominiert. Heute sind es vor allem autoritär-kommunistische Gruppen, die den Ton angeben. Gruppen wie der „Bund der Kommunist:innen“, der die Demonstration mit einem „antimilitaristischen Block“ anführt.
In einem Redebeitrag der Gruppe ist von „Kriegsvorbereitungen“ der Bundesregierung die Rede, die Köpfe der Deutschen würden „auf Krieg gedrillt“. In ihrem Aufruf zur Demonstration hatte die Gruppe „dem Westen“ zuvor vorgeworfen, Teile der Ukraine zu „unterjochen“.
Nach einigen Musik- und Redebeiträgen zieht die Demo am Abend mit Tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern durch die Bezirke Kreuzberg und Neukölln – die Polizei spricht von 22.000, die Veranstalter von 30.000. Aus dem vorderen Block der Demo schallen Parolen wie „Die Straße frei der roten Jugend“ oder „Freiheit, Zukunft, Sozialismus“, einige Demonstranten tragen rote Fahnen, viele haben ihre Gesichter mit roten Halstüchern oder Palästinensertüchern vermummt.

Am Ende der Demo kommt es noch zu etwas Gerangel einiger Teilnehmer mit der Polizei.
Quelle: Getty Images
Immer wieder zünden Demonstranten in und außerhalb der Demonstration Pyrotechnik, vereinzelt kommt es auch zu Würfen auf Polizisten. Insgesamt bleibt die Demonstration aber bis zum Ende hin friedlich. Damit setzt sich ein Trend der vergangenen Jahre fort: Während die Demo früher für regelmäßige Krawalle bekannt war, blieben Straßenschlachten und größere Auseinandersetzungen mit der Polizei zuletzt aus. Auch an diesem 1. Mai bleibt es während des Demonstrationszugs bei einzelnen Rangeleien mit den Einsatzkräften.
Der Polizei gelingt es außerdem, eine mögliche Eskalation durch rechtsextreme Provokateure zu verhindern: Wie ein Polizeisprecher mitteilt, werden am Abend rund 20 rechtsextreme am Hermannplatz in Neukölln festgesetzt, es soll sich um Mitglieder der militant-rechtsextremen Jugendgruppe „Deutsche Jugend voran“ handeln. Zu einem Aufeinandertreffen mit den „revolutionären“ Maidemonstranten kommt es jedoch gar nicht: Als die Demonstration am Hermannplatz entlangläuft, sind die Neonazis bereits in einer „polizeilichen Maßnahme“.
rnd