Kirk-Attentat: Trump wütet, Utahs Gouverneur redet den Amerikanern ins Gewissen

Washington. Seinen Presseauftritt nach der Festnahme des jungen Tatverdächtigen im Fall des Schusswaffenattentats auf Charlie Kirk nutzte der Gouverneur von Utah auch für einen eindringlichen Appell an ein politisch zutiefst gespaltenes Amerika. „Dies ist unser Moment: Eskalieren wir – oder finden wir einen Ausweg?“, fragte Spencer Cox am Freitag. „Es ist eine Entscheidung.“ Stellenweise versagte dem emotional sichtlich mitgenommenen Gouverneur die Stimme.
Auf Gewalt und Hass dürften nicht noch mehr Gewalt und Hass folgen, mahnte er. „Und genau das ist das Problem mit politischer Gewalt. Sie bildet Metastasen, weil wir immer mit dem Finger auf die andere Seite zeigen können. Aber irgendwann müssen wir einen Ausweg finden – sonst wird es noch viel, viel schlimmer.“
Der Republikaner Cox ist seit 2021 Gouverneur des US-Staats Utah, im November 2024 wurde er wiedergewählt. Seit Beginn seiner politischen Laufbahn hat er wiederholt zu parteiübergreifender Zusammenarbeit aufgerufen und mit versöhnlichen Aussagen hin und wieder auch landesweit von sich reden gemacht. Sein jüngster Auftritt hob sich deutlich von dem oft konfrontativen Ton ab, der seit den vergangenen Jahren in der US-Politik vorherrscht. Insbesondere von der Rhetorik von Präsident Donald Trump, der den Mord an Kirk der „radikalen Linken“ angelastet hat.

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Er sei erschöpft und habe während der tagelangen Fahndung nach dem Tatverdächtigen Tyler R. und angesichts der hitzigen Debatten über den Fall nur 90 Minuten geschlafen, sagte Cox. „Die Geschichte wird entscheiden, ob dies ein Wendepunkt für unser Land ist. Aber jeder Einzelne von uns kann jetzt entscheiden, ob es ein Wendepunkt für ihn selbst ist.“
Der Vater von vier Kindern im Jugend- und jungen Erwachsenenalter wandte sich auch direkt an junge Menschen: „Ihr erbt ein Land, in dem sich Politik wie Wut anfühlt. Es fühlt sich an, als ob Wut die einzige Option ist.“ Doch gebe es einen anderen Weg: „Eure Generation hat die Chance, eine Kultur zu schaffen, die sich grundlegend von dem unterscheidet, was wir gerade durchmachen.“
Cox beklagte auch die Gefahren durch soziale Medien und zeigte sich in diesem Zusammenhang entsetzt darüber, dass Kirks Ermordung im Netz „so grausam zur Schau gestellt“ worden und für jeden sichtbar gewesen sei. „Wir Menschen sind biologisch nicht dafür geschaffen. Historisch gesehen haben wir uns nicht in einer Weise entwickelt, dass wir in der Lage wären, solche gewalttätigen Bilder zu verarbeiten“, warnte er. „Das tut uns nicht gut. Es ist nicht gut, so was zu konsumieren. Soziale Medien sind momentan ein Krebsgeschwür unserer Gesellschaft.“
Cox‘ Appelle unterscheiden sich deutlich von der Rhetorik von US-Präsident Donald Trump: Der bemühte sich am Abend des Attentats gar nicht erst um Versöhnung, sondern kritisierte. noch bevor es überhaupt einen Verdächtigen gab, die „radikalen Linken“, die seiner Darstellung nach Amerikaner wie Kirk mit „Nazis und den schlimmsten Massenmördern und Verbrechern der Welt“ verglichen hätten. „Diese Art von Rhetorik ist direkt verantwortlich für den Terrorismus, den wir heute in unserem Land erleben, und sie muss sofort aufhören.“
Trump erwähnte bei seiner Aufzählung von politischer Gewalt in den USA auch das Attentat im Bundesstaat Pennsylvania im vergangenen Sommer, das er überlebt hatte. Politische Gewalt gegen demokratische Politikerinnen und Politiker, wie etwa die tödlichen Schüsse auf eine demokratische Abgeordnete und ihren Ehemann im Bundesstaat Minnesota in diesem Sommer, erwähnte er nicht.
RND/AP/dpa/seb
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