Museumsinsel Berlin - ein Spiegel deutscher Geschichte

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Museumsinsel, eine der wichtigsten Kulturstätten Europas, in Trümmern. Ein Masterplan erweckte sie zu neuem Leben. Jetzt feiert die Museumsinsel Geburtstag.
Die Museumsinsel zeigt wie kaum ein anderer Ort die bewegte Geschichte Berlins - von der Aufklärung über den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg bis hin zur modernen Restaurierung, die das Ensemble zu einem internationalen Besuchermagneten gemacht hat. Seit 1999 zählt die Museumsinsel zum UNESCO-Weltkulturerbe. 2025 feiert sie ihr 200-jähriges Bestehen - so lange ist es her, dass der Grundstein für das erste Museum gelegt wurde.
Ein Vermächtnis der AufklärungWährend der Napoleonischen Kriege (1803–1815) marschierten die Franzosen im Königreich Preußen ein. Es kam zu Plünderungen; auch viele Kunstwerke aus Berlin wurden geraubt. Nach dem Krieg wurden sie zurückgegeben und Preußen entschied, sie öffentlich auszustellen.
Ein Museum musste her: das Alte Museum (das damals schlicht "Museum" hieß, Anm. d. Red.) das erste Gebäude in einer Reihe von fünf Einrichtungen, die später als Museumsinsel bekannt werden sollten. Der Grundstein wurde 1825 gelegt, eröffnet wurde es 1830.

Dabei war Preußen nach den vielen Kriegen wirtschaftlich am Boden. "Und trotzdem hat man mit dem besten Architekten jener Zeit, mit Karl Friedrich Schinkel, in ein solches Kulturgebäude investiert", erzählt Hermann Parzinger, der scheidende Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, im DW-Interview. Gerade heute, wo Kulturförderung oft infrage gestellt wird, sei das ein wichtiges historisches Signal, betont er.

In der Zeit der Aufklärung galt Bildung als zentrales Gut. Der Gelehrte und Staatsmann Wilhelm von Humboldt sah Museen als wichtigen Bestandteil seiner Bildungsreformen. "Das Museum war für ihn ein Ort ästhetischer Bildung der Bürger", erklärt Parzinger. "Es ging also nicht nur darum, ein Museum zu bauen - es steckte eine große Vision dahinter. Kunst und Wissenschaft spielten dabei zentrale Rollen."
Neue Museen für wachsende SammlungenWährend der Kolonialzeit wuchs die Sammlung antiker Artefakte deutlich an - gleichzeitig wollten die damaligen Entscheidungsträger auch Werke deutscher Künstler der Romantik präsentieren. Dafür reichte der Platz im Alten Museum bald nicht mehr aus, es mussten neue Museen gebaut werden.
Im Laufe des folgenden Jahrhunderts kamen deshalb vier weitere große Museen zu dem Komplex auf der nördlichen Spreeinsel im historischen Zentrum Berlins hinzu: Das Neue Museum wurde 1859 eröffnet, gefolgt von der Alten Nationalgalerie im Jahr 1876, dem heutigen Bode-Museum (damals hieß es Kaiser-Friedrich-Museum) im Jahr 1904 und schließlich dem Pergamonmuseum, das eigens errichtet wurde, um monumentale Werke wie das Ischtar-Tor aus Babylon zu zeigen. Es wurde 1930 fertiggestellt.
Die Museen wurden zu einem kulturellen Aushängeschild - auch als Ausdruck nationaler Identität.

Vor dem Zweiten Weltkrieg galt die Museumsinsel als eine der wichtigsten Kulturstätten Europas. Die Nazis stilisierten die Sammlungen zur angeblichen "arischen" Hochkultur. Im Krieg wurden viele Kunstwerke ausgelagert; man brachte die wertvollen Artefakte in unterirdischen Bunkern, Bergwerken und Schlösser in ganz Deutschland unter. Diese Maßnahme rettete viele Exponate - darunter die Büste der Nofretete und große Teile des Pergamonfrieses -, trug aber auch dazu bei, dass viele Schätze weit weg der Hauptstadt verstreut wurden. Die Gebäude der Museumsinsel selbst wurden schwer beschädigt.

Nach Kriegsende 1945 besetzte die Rote Armee (die Streitkräfte Russlands, Anm. d. Red.) Berlin. Sogenannte Trophäenbrigaden beschlagnahmte große Teile der Sammlungen und schickte sie als sogenannte Reparationskunst nach Moskau und St. Petersburg. Viele dieser Stücke gelten bis heute als verschollen, befinden sich in russischen Museen und Archiven oder landeten in Privatsammlungen. Einige der Artefakte wurden in den 1950er-Jahren zurückgegeben, vor allem während der Tauwetterphase unter Chruschtschow. Trotzdem befinden sich bis heute noch schätzungsweise eine Million Kunstwerke, mehr als vier Millionen Bücher und Manuskripte sowie eine beträchtliche Anzahl von Archivalien in Russland.
Obwohl deutsche und russische Institutionen in den vergangenen Jahrzehnten gemeinsame Nachforschungen zu diesen Objekten unternommen haben, "liegt heute wegen des Krieges [in der Ukraine] alles auf Eis und ist unterbrochen - und wir wissen nicht, wann wir diese Kontakte wieder aufnehmen können", sagt Parzinger.
Stillstand in der DDRNach der Teilung Deutschlands durch die Siegermächte gehörte die Museumsinsel zum Ostteil Berlins - und damit zur DDR. Die aber hatte kaum Mittel, die zerstörten Gebäude wieder herzurichten. Besonders das Neue Museum blieb jahrzehntelang eine Ruine - ein Mahnmal des Krieges. "Man hat die Gebäude eher repariert, aber nicht wirklich grundsaniert", erzählt Parzinger.
Er erinnert sich noch gut an seinen eigenen Besuch in Ost-Berlin im Jahr 1984. Damals war er Student und ahnte noch nicht, dass er über zwei Jahrzehnte später Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz werden würde - und damit auch zuständig für die Museumsinsel. Zum ersten Mal sah er die zerbombte Hülle des Neuen Museums: "Aus dem Treppenhaus wuchsen Bäume, es gab kein Dach - das war unfassbar."

Deshalb sei es nach dem Fall der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung in den 1990er-Jahren unumgänglich gewesen, "die Gebäude wirklich von Grund auf zu sanieren und zukunftsfähig zu machen".
Wiederaufbau nach der WendeNach 1990 begann die umfassende Restaurierung - nach einem Masterplan, der alle fünf historischen Museen des Weltkulturerbe-Ensembles modernisieren und miteinander verbinden sollte. Das Herzstück beim Wiederaufbau war das Neue Museum. Der britische Architekt David Chipperfield integrierte die Ruinen in einen Neubau; Kriegsschäden wie Einschusslöcher und fehlende Deckenfresken ließ er bewusst sichtbar. Puristen hätten lieber eine Restaurierung im ursprünglichen neoklassizistischen Gebäude Stil gesehen und haderten mit Chipperfields Entwurf.

Doch dieses "großartige Konzept" durchzusetzen, sei die einzig richtige Entscheidung gewesen, schwärmt Parzinger und fügt hinzu, dass er immer noch jedes Mal, wenn er in das Gebäude zurückkehrt, neue Details entdecke. Das renovierte Museum wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Architekturpreisen ausgezeichnet.
Das berühmteste Exponat des Neuen Museums, das das Ägyptische Museum und die Papyrussammlung beherbergt, ist die rund 3500 Jahre alte Büste der Königin Nofretete. Zwar fordert eine Petition ihre Rückgabe an Ägypten, doch für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz steht das nicht zur Debatte: "Nofretete kam im Rahmen einer vollkommen legalen und gut dokumentierten Ausgrabung nach Berlin", betont Parzinger, der auch eine wichtige Rolle in der Rückgabe-Debatte um koloniale Objekte, wie etwa die Benin-Bronzen, spielte.
Wechsel an der SpitzeNach 17 Jahren gibt Parzinger 2025 die Leitung der Stiftung ab. Am 1. Juni übernimmt Marion Ackermann - passend zum Start des Jubiläumsjahrs. Auch unter ihrer Führung geht die Umsetzung des Masterplans weiter.
Ein Meilenstein war 2019 die Eröffnung der James-Simon-Galerie - sie dient als Haupteingang zur Museumsinsel. Das Pergamonmuseum ist aktuell wegen Sanierung bis 2027 geschlossen, das Alte Museum ist danach dran.

Wenn alle Restaurierungen abgeschlossen sind, werden vier der fünf historischen Gebäude durch eine barrierefreie unterirdische Rampe, die sogenannte Archäologische Promenade, miteinander verbunden, die sich an den historischen Brücken zwischen den im Zweiten Weltkrieg zerstörten Museen orientiert.
Die Museumsinsel bleibt ein einzigartiger Ort, an dem Geschichte, Kunst und Architektur aufeinandertreffen - ein Ort, der seine Vergangenheit nicht versteckt, sondern sie lebendig hält. Sie ist Deutschlands Antwort auf den Louvre oder das British Museum.

Die zukünftige Leiterin der Museumsinsel möchte das Ensemble international noch mehr stärken, damit die Besucherzahlen künftig ähnlich hoch sind wie in Frankreich oder Großbritanniens Vorzeigemuseen. "Vielleicht sollten wir auf die Marke 'The Berlin Museum' setzen, das klingt nicht so kompliziert wie 'Stiftung Preußischer Kulturbesitz'", so Marion Ackermann gegenüber der DW. "Jetzt 200 Jahre Museumsinsel zu feiern, ist eine große Chance, dass wir noch mehr an Attraktivität gewinnen."
Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch
dw