Haben & Sein: Zeichen der Zeit

Geständnis: Wir hier haben es ja nicht so mit den Kelly Bags dieser Welt. Weil wir stets zwei freie Hände brauchen, um, sagen wir, links den Hund spazieren zu führen und rechts dem attraktiven Gärtner an der Rosenhecke gegenüber zuzuwinken. Oder gleichzeitig Schokoeis essen und Ingwerlimo trinken wollen oder einfach sehr viel zu sagen haben, vor allem mit der rechten und der linken Hand. Für körperlich wie geistig aktive Damen und Herren gibt es darum nichts Besseres als eine Tasche, die man auf dem Rücken tragen oder über die Schulter hängen kann, und der Tennis- wie auch sonstige Vollprofi Jannik Sinner weiß das natürlich schon lange.
Als er am Montag auf dem Sandplatz der French Open auflief, hatte er wieder eine Sporttasche an der Schulter baumeln, die wir an ihm und an uns auch abseits des Platzes plausibel fänden. Natürlich war es nicht irgendeine Sporttasche. Sondern eine Custom Duffle Bag von Gucci. Sie kostet für alle, die nicht bei den French Open antreten, 1650 Euro und ist dafür nicht mal „Custom“, sondern von der Stange. Jannik Sinner gewann sein Auftakt-Match gegen Arthur Rinderknech mühelos 6:4, 6:3 und 7:5 und hatte, als er den Platz wieder verließ, beide Hände zum Empfang der Ovationen frei.

Handarbeit, Handwerk, craftsmanship – all diese eigentlich vollkommen anständigen Wörter sind in den vergangenen Jahren arg durchgenudelt worden in der Mode. Plötzlich entdeckte jede Marke irgendeine Manufaktur, die man vorzeigen wollte, ließ ausrechnen, wie viele Stunden Dutzende schwielige Hände an einer Tasche oder einem Kleid gebastelt hatten. Eigentlich schade. Denn wenn ein Produkt vierstellige Summen kostet, sollte das im Grunde eine Selbstverständlichkeit sein. Oft wird aber nur so getan als ob und möglichst viel mit Maschinen oder in weniger schönen Werkstätten erledigt. Womöglich hat Bottega Veneta zum 50-jährigen Bestehen des hauseigenen Intrecciato – genau, das Flechtmuster – deshalb lieber die Werkzeuge schlechthin inszeniert: Hände.
Als Teaser der Kampagne wurden zunächst nur Gesten und Zeichensprache veröffentlicht, Ende der Woche wurden dann die Menschen dazu verraten. Nein, keine Handwerker, obwohl – sind wir nicht alle Handwerker und drücken uns mit unseren Händen aus? Ist nicht irgendwie alles – wie ein paar verflochtene Lederbänder – irgendwie miteinander verwoben? Darüber tauschen sich Künstler wie Zadie Smith, Julianne Moore, Neneh Cherry, Jack Antonoff und Lorenzo Musetti im dazugehörigen Video aus. „Craft is our language“ heißt die Kampagne entsprechend. Schönster Satz: „Unsere Hände sind das Vehikel unserer Seele.“ Nebenbei lernt man übrigens, 50 Jahre später, auch endlich, wie Intrecciato richtig ausgesprochen wird: in–treh–chah–toh.

Duftkerzen sind eine klare Winterangelegenheit – kann man so sehen, schließlich spielen bei vielen Exemplaren tröstliche Zutaten wie Zimt und Vanille eine Rolle. Aber was ist, wenn sich auch im Frühling das Leichtigkeitsgefühl olfaktorisch nicht recht einstellt, weil es entweder viel zu kühl oder gleich tropisch heiß ist? Oder wenn man, zweitens, zufällig keinen Balkon oder Garten besitzt, aus dem es bis in die vier Wände hinein nach Minze, Jasmin und „einem Hauch schwarzer Johannisbeerknospen“ riecht? Die Pariser Traditionsfirma Trudon hat diese poetisch klingende Querbeetkombination für ihre Saisonkerze mit dem Namen „Under the Trees“ zusammengestellt. Beziehungsweise zusammenstellen lassen, die Parfümeurin Alexandra Carlin ist die Nase hinter dem neuen Duft, sie hat ein Faible für sommerliche Noten und gerade für Dolce&Gabbana eine Feigen-Variante des Klassikers „Light Blue“ entworfen. Damit die Frühlingskerze auch äußerlich zur Jahreszeit passt, wir reden hier schließlich von französischer Perfektion, ist sie in makellos pastelligem Grün gehalten. Hellt auch optisch auf an Tagen, denen es an Frische fehlt.
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