NDR-Mitarbeiter fordern Rauswurf von Julia Ruhs wegen Migrationsdoku: Das ist autoritär!

Man hat sich schon gewundert, wo sie bleibt, eure schnappatmende Empörung, liebe NDR-Mitarbeiter, die ihr auf der richtigen Seite steht. Immerhin ist die Ausstrahlung der Pilotfolge des neuen Reportageformats „Klar“ schon 14 Tage her – Zeit genug also, um sich darüber herzumachen, das Format als „rechts“ zu labeln und – natürlich! – die sofortige Entlassung der Kollegin Julia Ruhs zu fordern. Was ist nur los mit euch?
Sonst lasst ihr doch auch keine Sekunde des Nachdenkens, des Innehaltens oder des Abwägens verstreichen, um „Verrat“ zu schreien! Auch eure Entlassungsforderungen für Kollegen, die sich eine eigene Meinung leisten, ploppen sonst in Echtzeit auf allen Kanälen auf. Müssen wir uns Sorgen um euch machen, ihr Wächter über das Gute und Wahre? Kommt ihr etwa in die Jahre? Zweifelt ihr gar an euch selbst? Oder habt ihr euch endlich mal mit den Statuten eures Arbeitgebers befasst und festgestellt, dass ihr qua Gesetz dazu aufgefordert seid, Meinungspluralität aushalten zu müssen? Doof, ne?
Es reicht nicht mehr, „rassistisch“ zu schreienNa jedenfalls habt ihr in eurem senderinternen Brief, der nun öffentlich ist, mal wieder kein Drama ausgelassen, um euer Mütchen zu kühlen. Schade, dass ihr die Zeiten gerade so verpennt und immer noch glaubt, es reiche „Rassistisch!“ zu schreien, um im Recht zu sein. Denn Julia Ruhs, die junge Reporterin und Moderatorin der Sendung „Klar – Migration: Was falsch läuft“ hat lediglich durch eine Sendung geführt, die ihren eigenen Ton hatte und sich offensichtlich an Zuschauer richtete, die den ÖRR eh längst abgeschaltet haben. Hätte sie sich so vergriffen und Demokratie und Rechtsstaat mit Füßen getreten, wie ihr insinuiert, dann wären schon ganz andere Gremien aufmerksam geworden. Denn ihr, der ÖRR, seid in einer Krise! Schon gehört? Es geht um Vertrauensverlust. Es steht einiges auf dem Spiel für euch.
Julia Ruhs hat lediglich eine Sendung gemacht für Leute, die ihre Lebenswelten und die Diskussionen darin viel zu selten bei euch wiederfinden. Nein, nicht alle Nazis, eher die wenigsten davon. Julia Ruhs hat sich sogar, wie wir alle schon seit Jahren, vorauseilend bei euch entschuldigt, gleich im ersten Satz: Was jetzt komme, sagte sie zu Beginn der Sendung, würde nicht jedem gefallen. Habt ihr euch schon mal für eure Sicht auf die Dinge entschuldigt? Eher fröre wohl die Hölle zu.
Ich wette, ihr habt nicht einmal diskutiert mit Julia Ruhs über die Sendung, habt euch nicht einmal mit ihr hingesetzt und Argumente ausgetauscht. Habt den Brief geschrieben, garantiert anonym, und ihn an eure Vorgesetzten losgeschickt. Was interessieren euch Ansichten, Gefühle anderer? Jemand passt euch nicht? Entlassen! So geht die Autorität der Antiautoritären. Wenn ihr auch nur die leiseste Ahnung hättet, wie es ist, in totalitären System zu leben und sich derer Stilmittel zu bedienen: Ihr würdet euch schämen.
Nein, würdet ihr nicht.
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Berliner-zeitung