Ein Leben im Exil: Zum Tod des Dichters Daud Haider

Eigentlich sah die Zukunftsperspektive rosig aus für den jungen Daud Haider, Sohn einer großen, wohlhabenden Familie von Dichtern und Schriftstellern im damaligen Ostbengalen. Er war eine Art Shooting-Star der dortigen Lyrikszene, 1973 wurde eins seiner Gedichte von der Londoner Society of Poetry als "Best Poem of Asia" ausgezeichnet.
Aber schon ein Jahr später zerstörte ein einziges regierungskritisches Gedicht das Leben des damals 22-jährigen Studenten. Er wurde verhaftet und wenige Monate später ins Flugzeug nach Kolkata in Indien gesetzt. Seitdem lebte er im Bann der Fatwa, lange vor seinen Schriftstellerkollegen Salman Rushdie und Taslima Nasreen. Über 50 Jahre ein Leben im Exil - der Schmerz darüber, seine Sehnsucht nach der Heimat, verließen ihn nie.
In Kolkata schrieb Daud Haider ununterbrochen weiter, studierte, baute sich eine Existenz auf, erinnert sich ein alter Bekannter der Familie Haider, der Journalist Abdullah Al-Farooq, der später noch einmal eine wichtige Rolle spielen sollte.
Günter Grass bringt Haider nach DeutschlandZwölf Jahre blieb Haider in Indien. Aber dann sollte er auch seine neue Heimat verlassen, die indischen Behörden wollten sein Visum nicht verlängern. Ein Fall, der sogar international Wellen schlug. Die Schriftstellervereinigung PEN America, namentlich Susan Sontag und Kurt Vonnegut, schrieben einen Appell an den damaligen indischen Premierminister Rajiv Gandhi - vergeblich. Dadurch jedoch wurde ein deutscher Schriftsteller auf Daud Haider aufmerksam: Günter Grass, damals schon weltbekannt, lebte zu dieser Zeit in Kolkata. Er schrieb höchstpersönlich einen Brief an den damaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. So kam Daud Haider 1986 nach Berlin.
Am Anfang war das Interesse an Daud Haider groß. Er erhielt Stipendien, Einladungen, wurde interviewt. Aber irgendwann wurde es stiller um ihn. Der Alltag kam und damit auch finanzielle Sorgen - bis eines Tages die Deutsche Welle anrief. Abdullah Al-Farooq, der alte Bekannte aus Bangladesch, suchte für die neu gegründete Bengali-Redaktion Mitarbeiter. Und Daud Haider war immer noch ein bekannter Name in seiner Heimat, ein Coup also. 1989 schrieb Daud Haider die ersten Artikel für die DW. Seine Themen: Heimat und Heimatlosigkeit. Er war in allem leidenschaftlich, sagt Al-Farooq: als Dichter, als Journalist, als Dissident.
Die Sünde, in Bangladesch geboren zu seinDebarati Guha, Direktorin der Asien-Programme der Deutschen Welle, erinnert sich an viele Gespräche mit Daud Haider, mit dem sie bis zuletzt im regen Austausch stand: "Er sagte: In Bangladesch geboren zu sein, war seine Sünde. Eine Sünde, weil er sich kritisch gegenüber dem Islam geäußert hatte. Die Sünde aber hatte er nur aus Liebe für sein Land begangen. Diesen Zwiespalt trug er bis an sein Lebensende mit sich, und dieser verlieh Daud eine besondere Sensibilität, wenn er dichtete oder als Journalist für die DW arbeitete."

An die 30 Bücher hat Daud Haider im deutschen Exil geschrieben, die meisten davon erschienen in Indien, einige in Bangladesch, nur einzelne Gedichte wurden ins Deutsche übersetzt. Richtig heimisch wurde er in Deutschland nie. Aber wohin hätte er gehen können? Auch die deutsche Staatsbürgerschaft, die ihm angeboten wurde, lehnte er ab. Stattdessen besaß er ein spezielles UN-Visum, das ihn als "staatenlos (Bangladesch)" auswies. So empfand Daud Haider seine Identität.
Einer der bedeutendsten Dichter BangladeschsObwohl Daud Haider mehr als 50 Jahre lang nicht nach Bangladesch zurückkehren durfte, wird er dort bis heute verehrt. Zu seinem Tod am 26. April 2025 erschienen dort und auch in indischen Zeitungen zahlreiche Nachrufe, die sein Werk und die Person würdigten. Amit Chaudhuri, indischer Schriftsteller, Musiker und Literaturkritiker, schrieb: "Sein Weggang lässt uns in einer seltsam gewordenen Welt zurück."
dw