Das neue Album von Feine Sahne Fischfilet

Feine Sahne Fischfilet hat es neulich in die Sportnachrichten geschafft. Der Fußballprofi Tim Kleindienst war am Mannschaftsbus gefragt worden, welche Musik er vor Spielen hört. Der Angreifer von Borussia Mönchengladbach nannte „Manchmal finde ich dich scheiße“, die gemeinsame Single der Band mit dem Rapper Finch.
„Lass uns schauen, was uns verbindet und nicht nur, was uns trennt“, heißt es in dem Lied. Die Zeile ist die Hauptaussage ihres siebten Albums. Die Gruppe aus Jarmen in Mecklenburg-Vorpommern ruft damit in einer Zeit, in der spaltende, demokratiefeindliche Stimmen unerträglich laut werden, zum Dialog mit Andersdenkenden auf, zum Aufeinanderzugehen, auch zum Streiten, wie Jan „Monchi“ Gorkow beim Interview sagt, das er per Videoschaltung gibt. „Du musst streiten, und das ist etwas, was ganz viele Leute verlernt haben.“
Wie könne er denn überhaupt mit AfD-Leuten reden, wird der 37-Jährige häufig gefragt. „Ja, willst du mich verarschen“, antwortet er dann, „du kannst dich freuen, wenn hier noch jemand mit dir redet“. Bei Wahlen in der Gegend, in der er aufgewachsen ist und bis heute lebt, „könnte die AfD Mülleimer aufstellen. Das wäre egal, die Leute würden sie wählen“, fügt er in seinem typischen, ostseerauen Tonfall hinzu.
Feine Sahne Fischfilet, die Punk mit Trompete machen, linksbeseelt und heimatverbunden, und Finch, dessen Musik man als tiefer gelegten Pop (tiefer geht es nicht) bezeichnen kann, gehen mit bestem Beispiel voran. Das Zusammenwirken dieser unterschiedlichen Konzepte hätte man nicht erwartet. „Du triffst nicht immer nur Gleichgesinnte“, sagt Monchi. „Ich finde es eher erdrückend, wenn da nur Leute sind, die alle die gleiche Meinung haben.“ Es lohne sich, auf andere zuzugehen – solange es keine „Überzeugungsarschlöcher“ seien, Rassisten, Homophobe oder Sexisten, wie er erklärt, und Leute, „die mir ernsthaft erzählen wollen, dass es okay ist, Menschen (im Mittelmeer) ersaufen zu lassen“.
Die Musiker von Feine Sahne Fischfilet drücken die Abscheu für Rechtsradikale seit Bandgründung vor 20 Jahren in vielen ihrer Lieder aus. Mit „Wir kommen in Frieden“, dem Titelsong der neuen Platte, erinnern sie an die Geschichte ihres Protests: „Aus Jarmen losgefahren mit einem beschissenen Namen“, singen sie. „Auch unvermummt immer große Fresse riskiert.“ Monchi nennt den Einsatz der Musiker für Menschlichkeit „sich gerade machen“.
Die Band, die in diesem Jahr bei „Rock am Ring“ im Hauptprogramm auftritt, wird von immer mehr Fans bejubelt. Sie wird aber auch angefeindet, und das nicht nur von rechts: Monchi, Hauke Wegert (Gitarre), Max Bobzin (Trompete), Kay Irrgang (Bass) und Olaf Ney (Schlagzeug) erhielten Morddrohungen, auch ihr Proberaum und ihre Autos wurden attackiert. „Wir hatten uns, auch in den dreckigsten Zeiten“, singen sie nun, und meinen damit auch die Beobachtung durch den Verfassungsschutz in früheren Jahren wegen einer mutmaßlich „explizit antistaatlichen Haltung“ und die anonymen, online veröffentlichten Vorwürfe wegen sexualisierter Gewalt im Jahr 2022, die ein Gericht letztendlich als Verleumdung einstufte.
„Ich gebe mir nicht mehr irgendwelche Internet-Scheiße“, sagt Monchi heute. Man spürt, dass er am liebsten nicht mehr darüber sprechen möchte; diese Attacke, vermutlich von links, hat ihn schwer getroffen.
Früher war er als sogenannter Ultra von Hansa Rostock selbst nicht zimperlich. Weil er ein Polizeiauto angezündet hatte, wurde der damals 19-Jährige zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Monchi besitzt die Robustheit für die erste Reihe von klein auf. Das ahnten seine Eltern schon früh, wie sie in der Dokumentation „Wildes Herz“ von 2018 erzählen. „Mutti, ich melde mich immer“, habe Monchi aus der Schule berichtet – auch wenn er die Antwort gar nicht wusste. Bis die Lehrer ihn drannahmen, hatte er sich etwas überlegt.
Einfallsreich sind Feine Sahne Fischfilet seit jeher. Für ihre Aktion „Frühjahrsputz“ forderten sie ihre Fans über die sozialen Medien auf, rechte Aufkleber oder „schwarz-weiß-rote Pisse“, wie Monchi es ausdrückt, von Bushaltestellen und Straßenlaternen zu entfernen. Die drei besten Videos davon sollten prämiert werden. Einsendeschluss war der 20. April, Hitlers Geburtstag. „Die Aktionen liegen bei uns halt vor der Tür“, sagt der Sänger. „Wir brauchen dafür keine KI.“
Die Reichskriegsflagge, die im Musikvideo zu ihrem Song „Grüße ins Neandertal“ zu sehen ist, gibt es tatsächlich. Sie steht unweit ihres neuen Proberaums in Jarmen. Als ein Nachbar erfuhr, dass die Band dort hinzog, hisste dieser die Fahne womöglich als Warnung. „Unsere Lieder – euer Ekel, wie ein Vogelschiss in eurem Schädel“, heißt es in dem Song in Anspielung auf ein Zitat von Alexander Gauland. Der frühere AfD-Chef verharmloste die Herrschaft der Nationalsozialisten in einer Rede als „nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“. Mit dem Refrain („Döp Döp Döp“) spielt die Band obendrein auf das ausländerfeindliche Gegröle zum Partyhit „L’amour Toujours“ an.
Wie soll man mit Hass und Hetze umgehen? „Du kannst nicht die hundertste Instagram-Heulboje sein und immer sagen: Oh Gott, wie schlimm ist das alles“, sagt Monchi. Feine Sahne Fischfilet versucht, auch mit provokantem Humor dagegenzuhalten.
2006, vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern, unternahm die Gruppe eine eigene „Wahlkampftour“ durch AfD-dominierte Dörfer. Sie nannten ihre Aktion „Noch nicht komplett im Arsch – Zusammen gegen den Rechtsruck“. Damals kam die AfD im Bundesland auf 20,8 Prozent, genauso viel erreichte sie nun bei der Bundestagswahl im Februar bundesweit. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die Partei heute sogar bei 35 Prozent.

„Aus Jarmen losgefahren mit einem beschissenen Namen“ (von links): Kai Irrgang, Hauke Segert, Olaf Ney, Jan "Monchi" Gorkow und Max Bobzin von Feine Sahne Fischfilet.
Quelle: Robert Eikelpoth
Wie müsste man die Tour heute nennen? Komplett im Arsch? „Es ist in den letzten Jahren extrem beschissener geworden“, sagt Monchi. „Diese Leute haben ein gemeinsames Ziel: einen radikalen Umsturz. Deswegen haben sie diese Power.“ Diese Power, dieses Zusammenhalten, vermisst er bei den demokratischen Kräften.
Monchi kritisiert die gemeinsame Abstimmung der Unionsfraktion mit der AfD im Bundestag über eine Verschärfung der Migrationspolitik genauso wie manche linke Sichtweisen, die ihm wohl wie ein ständiges pädagogisches Belehren vorkommen. „Und die Zecken sind nur im Selbstzerstören stark“, singt er.
Er wirft den Linken Ausgrenzung und Abschottung vor. Wie äußert sich das? „Seit ich denken kann, gehe ich zu Hansa Rostock. Ich habe eine Jahreskarte“, erzählt er. Auch wenn er dort bisweilen bespuckt werde, sei er leidenschaftlicher Hansa-Fan. Immer wieder werde er deshalb angegangen: „Wie kannst du nur zu Hansa gehen? Das ist ja das Allerletzte, da sind doch nur Nazis.“ Wie reagiert er? Am liebsten würde er antworten: „Mann, halt die Fresse. Wollt ihr alle zu St. Pauli gehen oder was weiß ich, wie eure ganzen Vereine heißen?“
Von jungen Leuten wisse er: „Wenn du zu den Linken willst, dann musst du erst mal richtig sprechen können. Du darfst noch nie beschissen oder böse gewesen sein. Immer artig und perfekt. Welcher Jugendliche hat dazu schon Bock?“ Bei den Rechten dagegen seien alle willkommen. „Hier hassen die wenigsten Nazis“, sagt Monchi. „Wenn die Leute hier etwas mehr hassen als Flüchtlinge, dann sind das die Grünen.“
Das Gespräch verdüstert sich, je länger es dauert. „Ja, ja, du setzt dich ein für Menschenrechte, Klimafrieden, gegen Nazis und all das Schlechte (…) danke für deinen Gratis-Mut“, ätzt der 37-Jährige in dem Lied „Awareness-Konzept“. „Ich ertrage diesen ganzen Internet-Aktivismus nicht mehr“, sagt Monchi. „Wenn die Faschos wirklich loslegen, dann wird ein Großteil dieser linken TikTok-Stars nicht hier sein. Sie machen vielleicht ein schlaues Reel danach und erklären noch mal, wie schlimm alles ist.“
Die Musiker von Feine Sahne Fischfilet sind gekommen, um zu bleiben. Sie halten weiter die Stellung – zum Beispiel mit „Wasted in Jarmen“, ihrem eigenen Dorffest, das ein Appell an das Gemeinsame ist. Damit versuchen sie auch die zu erreichen, die noch zu erreichen sind. „Alle Sünder zu uns“, sagt Monchi, alle, außer Überzeugungsarschlöcher. „Früher hätten wir das anders gesehen: Wenn die Kids in Nazi-Klamotten kommen, hätten wir ganz stumpf gesagt: Verpiss dich! Heute sagen wir: Mit schwarz-weiß-rotem Shirt kommst du hier nicht rauf. Aber hier: Wir haben ein neutrales Shirt für dich. Guck dir mal an, was hier bei uns geht.“
Monchi liebt den Ort, in dem er groß geworden ist. Wenn der Begriff nicht von den schwarz-weiß-roten Demokratiefeinden missbraucht würde, könnte man ihn als wahren Patrioten bezeichnen; es ist ein aufrichtiger, hinterfragender und wütender Patriotismus.
rnd