Medikationsanalyse: Wenn aus Angst Non-Compliance wird



Die Angst vor Nebenwirkungen ist ein häufiger Grund, warum Patienten verordnete Medikamente nicht anwenden. / © Getty Images/Isabel Pavia
Anfang Juli fand an der Universität Jena das Seminar »Einführung in die Medikationsanalyse« statt. Dazu hatte Apothekeninhaber Stefan Göbel anonymisierte Patientenfälle aus seiner Apotheke mitgebracht. Eine studentische Gruppe analysierte die Medikation von Patientin C.P. Der Fall zeigte, wie wichtig eine ausreichende Therapietreue ist – und dass Apotheker und Ärzte den Patienten manchmal Sorgen nehmen müssen, damit es damit klappt.
Der Medikationsplan der Patientin war sehr umfangreich und die Studierenden identifizierten rasch einige größere Probleme, nebst kleineren pharmakologischen Baustellen.
Arzneimittel | Indikation | Bemerkung | ||
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Methotrexat 15 mg | Rheuma | nicht eingenommen trotz Verordnung | ||
Folsäure 5 mg | In Kombination mit Methotrexat | nicht eingenommen trotz Verordnung | ||
Pantoprazol 40 mg | Ulkusprophylaxe wegen NSAR | nicht eingenommen trotz Verordnung | ||
Prednison 5 mg | Rheuma | / | ||
Eisen(II) 100 mg | Eisenmangel | nicht eingenommen trotz Verordnung | ||
Venlafaxin 225 mg | Angststörung | / | ||
Ibuprofen 600 mg | Schmerzen | möglicher Abusus | ||
Lorazepam 2,5 mg | Panikattacken | möglicher Abusus | ||
Kaliumiodid 0,262 mg | Struma | / | ||
Rosuvastatin/Ezetimib 20 mg/10 mg | Hypercholesterinämie | / | ||
Salbutamol 0,1 mg | COPD | nicht eingenommen trotz Verordnung | ||
Calcium/Colecalciferol 600 mg/400 I.E. | Osteoporose-Prophylaxe | / | ||
Chininsulfat 200 mg | Wadenkrämpfe | nicht eingenommen trotz Verordnung |
Medikationsplan aus dem Fallbeispiel
Da Frau C.P. an Rheuma leidet, bekam sie Methotrexat (MTX), Prednison und Ibuprofen verordnet. Das MTX nahm sie jedoch aus Angst vor Nebenwirkungen nicht ein – wie sich erst beim Medikationsanalyse-Gespräch in der Apotheke herausstellte. Dafür ließ sie sich gegen die Schmerzen regelmäßig von zwei Arztpraxen Ibuprofen 600 mg verordnen. Das verordnete Pantoprazol als Magenschutz nahm sie wiederum nicht ein. Zusätzlich kann sich Prednison negativ auf die Magenschleimhaut auswirken.
Aufgrund einer Angststörung nahm die Patientin außerdem Venlafaxin in der für diese Indikation empfohlenen Höchstdosis von 225 mg ein. Es kann das Risiko für Blutungen, auch im Magen-Darm-Trakt, erhöhen. Zusätzlich bekam sie gegen Panikattacken Lorazepam 2,5 mg. Letzteres ließ sich die Patientin regelmäßig von zwei Arztpraxen verordnen. Hier vermuteten die Apotheker in spe eine Abhängigkeit.
Und noch eine weitere Non-Adhärenz fiel auf: Trotz der Diagnose COPD wendete die Patientin ihr Salbutamol-Spray nicht an. Außerdem fehlte ein inhalatives Glucocorticoid (ICS) auf dem Plan.

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